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Grundsteuern im Ruhrgebiet - Entwicklungen zwischen den Jahren 2010 und 2020

Kommunalkompass / aktuelle Entwicklungen 23.09.2021

BdSt NRW untersucht Grundsteuerentwicklung im Ruhgebiet zwischen den Jahren 2010 und 2020

Grundsteuern

Grundsteuern werden von Städten und Gemeinden erhoben. Durch ein im Grundgesetz verankertes Hebesatzrecht haben sie die Möglichkeit, die Höhe ihrer Einnahmen zu beeinflussen. Dazu haben Städte und Gemeinden ansonsten nicht viele Gelegenheiten.

Es gibt zwar kommunale Bagatellsteuern wie zum Beispiel Vergnügungssteuer, Hundesteuer oder Zweitwohnungsteuer, doch die wesentlichen eigenen Steuern sind die Gewerbesteuer und die Grundsteuer. Im Jahr 2020 haben Städte im Ruhrgebiet über 800 Millionen Euro Grundsteuern eingenommen, im Jahr 2010 waren es 539 Millionen Euro.

Grundsteuern werden zunächst von Haus-, Wohnungs- und Grundstückseigentümern bezahlt. Wer seine Immobilie vermietet, kann die Grundsteuer auf Mieter umlegen. So ist jeder Haushalt von der Grundsteuer betroffen.

Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in allen Regionen Deutschlands zu schaffen, ist ein politisches Ziel. Die kommunale Steuerbelastung kann als ein Kriterium für die Gleichheit der Lebensverhältnisse gesehen werden. Die Veränderungen der Grundsteuerhebesätze und des Aufkommens offenbaren jedoch im Zeitraum von 2010 bis 2020, dass die Lebensverhältnisse im Ruhrgebiet eher auseinandergehen. Das Hebesatzrecht der Städte und Gemeinden führt ohne einschränkende Reglementierung zu einer besorgniserregenden Entwicklung.

 

Auseinandergehende Hebesätze

Die Grundsteuerhebesätze sind im Jahresvergleich 2010 und 2020 in den Ruhrgebietsstädten weiter auseinandergegangen. Reichte die Spannbreite im Jahr 2010 noch von 410 bis 590 Prozent, so erreichte sie im Jahr 2020 bereits 550 bis 910 Prozent. Während der nordrhein-westfalenweite Durchschnitt von 400 auf 547 Prozent gestiegen ist, lag der Anstieg im Ruhrgebiet bei 485 auf 726 Prozent. Damit ist nicht nur die durchschnittliche Spannbreite der Sätze im Ruhrgebiet gestiegen, sie hat sich auch noch weiter vom nordrhein-westfälischen Durchschnitt entfernt.

Die Konsequenz für das Ruhrgebiet ist eine heterogenere Grundsteuerlandschaft als es 2010 der Fall war. Für die Bürger bedeuten die Unterschiede ein weiteres Mal das Auseinandergehen der Wohn- und Lebensbedingungen; schließlich macht der BdSt NRW seit Jahren auch auf erhebliche Unterschiede in der Gebührenlandschaft aufmerksam. Dem Bürger ist dieser Herd für Unzufriedenheit kaum zu vermitteln. Von einer Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse kann in Bezug auf die Grundsteuer als Bestandteil der Wohnnebenkosten und als Kriterium der Lebensverhältnisse nicht die Rede sein, im Gegenteil, die Erreichung rückt in weitere Ferne.

 

Steigende Hebesätze

Problematisch und unverständlich sind für viele Bürger auch die zum Teil erheblichen Steigerungen der Grundsteuer. Im Durchschnitt sind die Hebesätze im Ruhrgebiet um insgesamt 50 Prozent gestiegen, in Nordrhein-Westfalen um 37 Prozent.  

Die Spannbreite der Steigerung reicht von 14 bis 94 Prozent. Keine Stadt im Ruhrgebiet hat die Steuern gesenkt oder auf eine Erhöhung verzichtet. Spitzenreiter der Erhöhungen waren Witten, Moers und Mülheim an der Ruhr. Witten, Mülheim an der Ruhr und Hattingen hatten im Jahr 2020 die höchsten Hebesätze und gehörten zu den 10 teuersten Städten in Nordrhein-Westfalen.

Bei den Erhöhungen der Grundsteuerhebesätze muss beachtet werden, dass der Stärkungspakt des Landes viele Städte und Gemeinden zu erheblichen Steigerungen der Hebesätze geradezu motiviert hat. Der Stärkungspakt sah eine finanzielle Unterstützung des Landes für notleidende Kommunen vor, die bereit waren, dafür einen erheblichen Eigenanteil an einer Konsolidierung ihrer Haushalte zu leisten. Viele Städte sind bei leider den vermeintlich einfachen Weg gegangen, diesen eigenen Konsolidierungsbeitrag vorrangig über die Einnahmeseite (Erhöhung der Hebesätze) zu erbringen.

 

Steigerung der Grundsteuer-Belastung

Während die Ruhrgebiets-Hebesätze im Zeitraum von 2010 bis 2020 um durchschnittlich 50 Prozent gestiegen sind, lag der Anstieg des Verbraucherpreisindex in NRW bei 14,9 Prozent (ausgehend je im Juni eines Jahres).

In Witten lag die Steigerung der Hebesätze um das 6,3-fache höher als die Inflation in dem Zeitraum, in Moers um das 5,4-fache, in Mülheim an der Ruhr um das 5,2-fache.

Für den BdSt NRW ist diese deutlich überproportionale Belastungssteigerung durch die Städte und Gemeinden sehr bedenklich. Die Grundsteuer ist von einer Steuer mit niedriger Belastungswirkung zu einer Steuer mit bedeutendem Belastungsfaktor, man könnte sagen zu einer Belastungssteuer geworden.

Der BdSt NRW sieht hier die Gefahr einer Abwärtsspirale für das Ruhrgebiet, denn auch der örtliche Handel, Dienstleistungen und das Handwerk werden Mehrausgaben bei der Grundsteuer haben und Minderausgaben der Konsumenten und Investoren zu spüren bekommen. In der Folge werden auch sie sich einschränken müssen. Die bessere wirtschaftliche Lage in anderen Regionen ergänzt durch eine hohe Belastung der Wohnnebenkosten kann Bürger schneller zu einem Wohnortswechsel motivieren und neue Einwohner und Unternehmen eher abschrecken. Die Konsequenzen sind sinkende Steuereinnahmen durch eine Überdrehung der Steuerschraube. 

Neben den ökonomischen Einschränkungen sieht der BdSt NRW auch die politische Gefahr einer sinkenden Akzeptanz der kommunalen Steuer. Die die Steuererhöhungen begleitenden Proteste der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Bürger sich überproportionalen Grundsteuererhöhungen nicht mehr klaglos ergeben, sondern ihrem Unmut Luft machen. Auch die regelmäßigen grundsätzliche Anfragen nach rechtlichen Möglichkeiten zur Verhinderung einer Erhöhung, die den BdSt NRW erreichen, können als Beleg einer sinkenden Akzeptanz gesehen werden. Die Folge ist Unmut über die Lokalpolitik und über Lokalpolitiker.

 

Zuwächse des Aufkommens

Steigende Grundsteuerhebesätze ziehen zunächst steigende Aufkommen nach sich. Im Ruhrgebiet ist das Aufkommen um 49 Prozent gestiegen, in NRW um 43 Prozent. Nicht nur die Hebesätze sind Ursache der Steigerungen, auch erschließen viele Städte und Gemeinden neue Wohn- und Gewerbegebiete. Ferner kommt es nach Erschließungen, Umbauten oder Erweiterungen von Gebieten oder Immobilien in der Regel zu Neubewertungen mit höheren Einheitswerten. Die Folge ist ebenfalls ein steigendes Grundsteueraufkommen. Dem BdSt NRW ist es nicht möglich, die Zuwächse nach Ursache zu differenzieren.

Die größten Aufkommens-Zuwächse hatten Witten (hier hat sich das Aufkommen mehr als verdoppelt), Sprockhövel, Hattingen und Mülheim an der Ruhr, mit Zuwächsen von 90 Prozent und mehr. Erwartungsgemäß sind die Städte mit den höchsten Steigerungen der Hebesätze betroffen.

 

Fazit

Der BdSt NRW sieht die Entwicklung der Grundsteuer in den Ruhrgebietsstädten mit großer Sorge. Die Grundsteuer wird für viele Städte und Gemeinden immer mehr zur bedeutenden Einnahmequelle und für die Bürger zu einer Belastung. Angesichts einer hohen Verschuldung und einer Perspektivlosigkeit bei den Altschulden werden viele Städte und Gemeinden voraussichtlich nicht von allein ihre Grundsteuerhebesätze deutlich senken wollen, höchstens auf weitere Steigerungen verzichten. Auch der Stärkungsparkt des Landes hat dieser Entwicklung Vorschub geleistet.

Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, dass die Lebensverhältnisse der Bürger immer weiter auseinandergehen. Von der politisch und implizit verfassungsmäßig gewollten Gleichwertigkeit in Bezug auf die Grundsteuerbelastung kann keine Rede sein, das Gegenteil wird immer mehr der Fall. Die Entwicklung hat auch besorgniserregend zum Ergebnis, dass die Grundsteuer für viele Bürger zu einer wirklichen Belastung geworden ist. Aus Sicht des BdSt NRW darf die Entwicklung so nicht weitergehen, es drohen ökonomische und politische Schäden, die bislang von der Kommunalpolitik und -verwaltung verkannt werden.

 

Ausblick

Ab 2025 wird in der Bundesrepublik Deutschland die Grundsteuer neu ermittelt. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat sich leider dagegen entschieden, ein vom Bundesmodell abweichendes Reformmodell für die Neuregelung auf den Weg zu bringen. Dies wäre durch eine Nutzung der Öffnungsklausel möglich gewesen und ist es auch immer noch. Das Bundesmodell („Scholz-Modell“) ist nicht nur mit einer enormen Bürokratie verbunden, sondern birgt aufgrund seiner wertabhängigen Bemessungsfaktoren in Kombination mit der alle sieben Jahre erfolgenden Neubewertung aller Grundstücke einen Erhöhungsautomatismus in sich. Er führt bei steigenden Immobilienwerten auch ohne Hebesatzanpassungen zu regelmäßigen Grundsteuererhöhungen. Die in den Nachbarländern Hessen und Niedersachsen auf den Weg gebrachten Fläche-Lage-Modelle sind mit weniger Bürokratie verbunden und enthalten keinen Erhöhungsautomatismus. Auch Nordrhein-Westfalen sollte auf ein solches bürgerfreundliches Grundsteuer-Reformmodell setzen.  

Die Umsetzung des Bundesmodells dürfte dagegen bedeuten, dass sich die Bürger im Ruhrgebiet nach den enormen Grundsteuererhöhungen der vergangenen Jahre künftig auf eine noch höhere Grundsteuerbelastung einstellen müssen.

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