Die öffentliche Verschwendung 2021/2022
Vier Schwarzbuch-Fälle aus Rheinland-Pfalz
Das neue Schwarzbuch ist da: Mit 100 gravierenden Fällen aus ganz Deutschland wird beispielhaft der verschwenderische Umgang mit Steuergeld dokumentiert. Kostenexplosionen bei Staatsbauten, ausufernde Subventionen, öffentliche Wirtschaftsflops, teure Fehler und sinnlose Skurrilitäten – es gibt viele Arten, wie der Staat unser aller Geld verbrennt. Rheinland-Pfalz ist in diesem Jahr mit vier Fällen dabei.
1. Rechtsstreit, um für Flughafen Hahn zahlen zu dürfen
Kurz vor Fristende legte die Landesregierung von Rheinland-Pfalz Rechtsmittel gegen das Urteil des Europäischen Gerichts ein, wonach gezahlte und künftige Betriebsbeihilfen zugunsten des Flughafens Hahn unzulässig sind. Der Grund für den Einspruch: Das Land will dem Flughafen weiterhin Geld überweisen – und nichts zurückfordern müssen. Allerdings läuft dem dauerdefizitären Flughafen so oder so die Zeit davon, denn ab 2024 darf das Land dem Flughafen Hahn keine Betriebsbeihilfen mehr gewähren. Dann könnte die Pleite drohen. Warum also jetzt noch bis zu 25 Mio. Euro riskieren?
Mitte Mai 2021 erklärte das Europäische Gericht (EuG) den Beschluss der EU-Kommission aus dem Jahr 2017 für nichtig, der es dem Land Rheinland-Pfalz erlaubte, Betriebsbeihilfen an die Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH (FFHG) zu zahlen. Einst hielt das Land einen Mehrheitsanteil von 82,5 Prozent an der FFHG. Dieser wurde im Jahr 2017 an den chinesischen Konzern HNA verkauft. Die übrigen 17,5 Prozent hält das Land Hessen.
Seit der Übernahme des Hunsrück-Flughafens durch HNA hat das Land Rheinland-Pfalz bislang rund 10 Mio. Euro an Betriebsbeihilfen gezahlt. Bis 2024 könnten theoretisch noch weitere 15 Mio. Euro überwiesen werden – wäre nicht das EuG-Urteil dazwischengekommen.
Gegen das Urteil legte Rheinland-Pfalz Ende Juli 2021 Rechtsmittel ein. Zwar war es nicht Beklagter – das war die EU-Kommission –, sondern nur Streithelfer. Da die EU-Kommission aber das Urteil akzeptierte, schritt das Land zur Tat. Die Landesregierung möchte nämlich gern weiterhin Betriebsbeihilfen an die FFHG zahlen, weil diese für HNA ein „klarer Bestandteil ihres finanziellen Konzepts“ seien. Die Betriebsbeihilfen sollen operative Verluste ausgleichen.
Bislang hat Rheinland-Pfalz die seit dem EuG-Urteil unzulässige Betriebsbeihilfe von rund 10 Mio. Euro nicht zurückgefordert, obwohl dies eine Konsequenz aus dem Urteil ist. Die andere Konsequenz ist, dass keine weiteren Betriebsbeihilfen ausgezahlt werden dürfen.
Stattdessen beantragte das Land, die Urteilswirkung auszusetzen. Wird dem stattgegeben, muss es bis zum Abschluss dieses Verfahrens in der nächsten Instanz, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), keine Rückforderung an die FFHG stellen. Und so ein Verfahren kann dauern. Bereits der besagte EuG-Prozess beanspruchte rund drei Jahre. Sollte es vor dem EuGH mindestens wieder so lange dauern, wäre man bereits im Jahr 2024 – just dann, wenn der Flughafen Hahn, wie die meisten anderen europäischen Flughäfen auch, gemäß der EU-Flughafenleitlinie keine öffentlichen Betriebsbeihilfen mehr erhalten darf. Sollte die chinesische HNA – laut Presseberichten bereits finanziell schwer angeschlagen oder gar insolvent – den Geldhahn zudrehen oder der Flughafen Hahn nicht von sich aus schwarze Zahlen schreiben, gehen wohl die Lichter aus.
Der BdSt meint:
Es ist schon kurios. Das Land Rheinland-Pfalz setzt Steuergeld für einen Rechtsstreit ein, bei dem die eigentliche Beklagte das Urteil bereits akzeptiert hat. Außerdem geht es um das Recht des Landes, dem mehrheitlichen Tochterunternehmen eines angeschlagenen chinesischen Konzerns noch mehr Steuergeld als Beihilfe überweisen zu dürfen. Und als wäre das noch nicht genug, würden die Beihilfen dem Airport wegen der EU-Flughafenleitlinie nur wenige Jahre weiterhelfen. Mit dem Ende der erlaubten Beihilfen droht dem dauerdefizitären Regionalflughafen letztlich wohl doch die Insolvenz. Dafür bis zu 25 Mio. Euro an Steuergeld auf das Gegenteil zu verwetten, ist es nicht wert.
Aktuelles seit Redaktionsschluss: Was der Steuerzahlerbund befürchtete, ist eingetreten. Der Flughafen Hahn hat Insolvenz angemeldet. Um Steuergeld nicht unnötig zu gefährden, fordert der BdSt von der Landesregierung, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die gezahlten Betriebsbeihilfen unverzüglich als Forderung anzumelden und die Rechtsmittel vor dem EuGH zurückzunehmen. Die EU-Kommission ist wiederum doch noch gegen das Urteil aktiv geworden – aber die EU würde ja auch kein eigenes Geld am Hahn verlieren.
2. Wenn Diäten in Rheinland-Pfalz dicker machen
Es gibt Diätenpläne, die sollen schlank machen. Und es gibt Diätenpläne, die machen dick – nämlich das Portemonnaie. So werden die monatlichen Diäten der Abgeordneten des rheinland-pfälzischen Landtags von 2022 bis 2024 schrittweise um insgesamt 760 Euro steigen – auf dann 7.750 Euro monatlich. Das bedeutet ein sattes Plus von rund 11 Prozent. Am Ende kostet das die Steuerzahler jährlich Millionenbeträge.
Abgeordnete sollen eine angemessene, ihre Unabhängigkeit wahrende Entschädigung erhalten. Über die Höhe dieser sogenannten Diät bestimmen sie selbst im Kollektiv des Plenums. Weil die meisten Bürger nicht über diesen exklusiven Luxus verfügen, ihr Gehalt selbst festzulegen, sollte bei jeder einzelnen dieser Diätenerhöhungen Fingerspitzengefühl gefragt sein. Davon ist bei dem Diätenplan, dem die Mehrheit des rheinland-pfälzischen Landtags im September 2021 zustimmte, jedoch nichts zu spüren.
Dieser Plan sieht für die 101 Abgeordneten vor, ab 2022 innerhalb von drei Jahren die Diäten von jeweils knapp 7.000 Euro im Monat auf rund 7.750 Euro zu erhöhen. Mitten in der Coronakrise ist dies ein fettes Plus um 11 Prozent.
Allein für die aktiven Abgeordneten kosten die Mehr-Diäten ab 2022 zunächst 317.000 Euro jährlich, ab 2023 bereits 670.000 Euro jährlich und mit voller Wirkung ab 2024 sogar mehr als 1 Mio. Euro im Jahr! Da sich die Altersversorgung ehemaliger Landtagsmitglieder und deren Hinterbliebenen an den Diäten der Aktiven ausrichtet, freuen sich auch diese über mehr Geld. Dadurch entstehen weitere Mehrkosten von 244.000 Euro im Jahr 2022, 514.000 Euro im Jahr 2023 und 784.000 Euro im Jahr 2024.
Bemerkenswert: Im Jahr 2017 beschlossen die Parlamentarier, ab 2019 ihre Diäten gemäß einem Verdienstindex anzupassen. Wenn die Wirtschaft brummt und die Löhne steigen, profitieren davon also auch die Abgeordneten. In 2019 und 2020 wurde der Index plangemäß diätenerhöhend angewendet. Allerdings sorgten die Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus für eine Wirtschaftskrise, weshalb die Reallöhne zeitweilig keinen lukrativen Maßstab mehr darstellen. Aber kein Problem – dann klinkt sich der Landtag bei der Anwendung des Verdienstindex eben aus. Sollen doch die Arbeitnehmer in der Krise allein den Gürtel enger schnallen.
Stattdessen will sich die Mehrheit der Abgeordneten am Verdienst hauptamtlicher Bürgermeister kleiner Verbandsgemeinden mit der Besoldungsgruppe A16 orientieren – und so kommt man auf die 7.750 Euro. Dass ein hauptamtlicher Bürgermeister jedoch eine Verwaltung leitet und daher eine umfangreiche Personal- wie Finanzverantwortung trägt, wird dabei geflissentlich ignoriert. Allenfalls Fraktionsvorsitzende wären mit einem Bürgermeister vergleichbar – und Fraktionsvorsitzende verdienen bereits aufgrund der verdoppelten Diät rund 14.000 Euro pro Monat, etwa so viel wie das Amtsgehalt eines Ministers.
Zudem behalten sich die Landtagsabgeordneten vor, den Verdienstindex zukünftig wieder anzuwenden. Sollte es also ab 2022 wieder kräftig aufwärtsgehen, werden sie voraussichtlich wieder diesen Maßstab berücksichtigen – auch wenn es dann mehr ist, als ein Bürgermeister bekommt. Im Zweifel gilt offenbar genau das System, das die eigene Brieftasche besser füllt.
Grund zur Freude haben auch die Parteien, die per Mandatsträgerabgabe vielfach von höheren Diäten profitieren. In Rheinland-Pfalz haben Landtagsabgeordnete abhängig von der Partei bis zu 16,5 Prozent ihrer monatlichen Diät „freiwillig“ abzugeben. Umso kurioser wird bei so viel Großzügigkeit gegenüber der Partei das Klagelied vom vermeintlich unterbezahlten Abgeordneten.
Der BdSt kritisiert:
Corona-Krise, Hochwasser-Katastrophe, Rekordverschuldung im Landeshaushalt – es könnte in Rheinland-Pfalz kaum einen schlechteren und instinktloseren Zeitpunkt für eine saftige Diätenerhöhung von rund 11 Prozent geben. Doch all das spielte für die Landtagsmehrheit keine Rolle. Dass die Abgeordneten zudem gewillt sind, die Systeme je nach Lage diätenoptimierend zu wechseln, trägt auch nicht gerade zur Akzeptanz bei. So wird nur Politikverdrossenheit geschaffen.
3. Kosten der Landtagssanierung in Mainz nicht zu bändigen
Außer Rand und Band geriet die Generalsanierung des Deutschhauses in Mainz. Mit 73 Mio. Euro wurde der Landtag von Rheinland-Pfalz noch einmal um 6 Mio. Euro teurer, als im Schwarzbuch 2020/21 berichtet. Schon damals befürchtete der Bund der Steuerzahler Kosten von mehr als 70 Mio. Euro. Leider hat sich dies bestätigt.
Letztlich endete die Sanierung des Deutschhauses so, wie sie begonnen hatte: mit einer massiven Kostenexplosion. Der schrittweise Anstieg der Gesamtkosten von ursprünglich 25 auf 40, 50, 60 und dann 67 Mio. Euro sorgte für einen Eintrag ins Schwarzbuch 2020/21. Reichte diese enorme Summe endlich zur Fertigstellung aus? Leider nein. Tatsächlich bewahrheitet sich die Befürchtung des BdSt, dass auch die Kostengrenze von 70 Mio. Euro gesprengt werden würde. Mittlerweile liegen die Gesamtkosten bei rund 73 Mio. Euro – also nochmal 6 Mio. Euro obendrauf.
Was sind die Gründe für die letzte Kostensteigerung? Gegenüber dem BdSt machte die Landtagsverwaltung die Corona-Pandemie verantwortlich. Deretwegen sei es zu Lieferengpässen, Personalausfällen, Verzögerungen und Erschwernissen auf der Baustelle gekommen. Zudem hätten auch „technisch-konstruktive Änderungen“ zu Mehrkosten geführt. So hielt das alte Gemäuer manch teure Überraschung parat. Überdies erhöhten weitere Auflagen des Denkmalschutzes, zum Beispiel in Bezug auf die Sanierung der Natursteinfassade, die Baukosten.
Im September 2021 fand die Einweihung des neuen alten Landtagsgebäudes statt. Bereits im Vorfeld freute sich der Landtagspräsident über einen „attraktiven, modernen und zeitgemäßen Ort der Demokratie“ – und befand, dass sich der Kostenplan in einem „absolut vertretbaren Rahmen“ bewegt habe.
Der BdSt meint:
Von der Planung bis zum Einzug stiegen die Kosten schrittweise auf die extreme Höhe von 73 Mio. Euro an. Die Corona-Krise mag als Problem dazugekommen sein, aber der Großteil der Kostenexplosion spielte sich schon vor der Pandemie ab. Mehrmals hatte der BdSt einen Kostendeckel angemahnt, den der Landtag aber stets mehrheitlich abgelehnt hatte. Offenbar wussten die Abgeordneten schon wieso. Wie Hohn wirkt da die politische Einstufung der Kostenexplosion als „vertretbar“. Aber was wäre denn nicht mehr vertretbar gewesen, wenn sich der Landtag weigert, eine rote Linie bei der Kostenhöhe zu ziehen?
4. Zweifache Kosten für Zweirad-Parkhaus
Anfänglich zu niedrig angesetzte Kosten, Umplanungen am Projekt, Verzögerungen, allgemeine Baukostensteigerungen und schlichtes Pech: Beim Bau des Fahrrad-Parkhauses lässt Bad Kreuznach keine der üblichen Ursachen für eine Kostenexplosion aus. So explodierten die Baukosten in wenigen Jahren von 1,85 Mio. Euro auf satte 3,4 Mio. Euro.
Mobil- und Infopunkt (MIP) heißt das neue Fahrrad-Parkhaus am Bad Kreuznacher Hauptbahnhof, das den Radverkehr erhöhen und somit einen Beitrag zum Klimaschutz leisten soll. Der im Dezember 2020 eröffnete MIP bietet Platz für mehr als 200 Drahtesel, die dort sicher, videoüberwacht und regengeschützt untergebracht werden können. Über eine Photovoltaik-Anlage wird umweltfreundlich Strom produziert, um z. B. Elektrofahrräder kostenlos aufladen zu können. Zudem sind u. a. die Tourismus-Information und ein Fahrradladen im Gebäude einquartiert.
Als weit weniger nachhaltig erwies sich die Bau- und Kostenplanung. Von zunächst im Jahr 2016 geschätzten 1,85 Mio. Euro Baukosten verteuerte sich der MIP auf mehr als 3,4 Mio. Euro. Bei den Gründen dafür spielt die Stadt auf der ganzen Klaviatur der üblichen Ursachen für Kostensteigerungen. Das Trauerspiel fängt mit „einer zu niedrigen Kostenberechnung bei der Projektierung“ an, es geht um 570.000 Euro. Der nächste Grund allerdings ist schlichtes Pech: Überraschend wurde festgestellt, dass der Schutt des vorherigen Gebäudes und der Baugrund belastet sind. Ein Bodengutachten sowie die unvorhergesehene Entsorgung des Abbruch- und Erdmaterials verteuerten das Projekt um rund 282.000 Euro.
Selbst verantwortlich ist die Stadt aber für die vorgenommenen Umplanungen, ein Klassiker bei Kostenexplosionen. Bei dem MIP wurde die Fassade im Obergeschoss geändert. Statt wie zunächst geplant aus Holz wurde sie für 80.000 Euro mehr aus Glas gestaltet, in das Photovoltaik-Elemente integriert sind. Dies allerdings hatte zur Folge, dass die für das Dach geplante Solaranlage plötzlich entbehrlich war. Stattdessen entschied sich die Stadt für ein „nachhaltigeres extensives Gründach“, dass 30.000 Euro mehr kostete. Für das Gründach musste wiederum die Konstruktion angepasst werden, was zu einer „notwendigen Änderung der Planunterlagen“ führte. Gemeinsam mit einem Betriebskonzept stiegen die Kosten um weitere 16.000 Euro.
Auch Verzögerungen bei der Planung und Ausführung führten zu höheren Kosten. Dadurch musste beispielsweise das Baugerüst länger stehen bleiben. Unterm Strich führten Verzögerungen und deren Folgen zu rund 90.000 Euro Mehrkosten. Immerhin konnte der MIP trotz allem planmäßig eröffnet werden. Als großes Finale summieren sich die allgemeinen Baukostensteigerungen auf 480.000 Euro.
Der BdSt meint:
Im MIP hat Bad Kreuznach alle klassischen Spielarten einer Kostenexplosion gleich in einem Bau vereint – zu einem guten Teil auch selbstverschuldet. Der Bau mag für Nachhaltigkeit stehen, die Kostenplanung war allerdings so ziemlich das Gegenteil von nachhaltig. Jetzt bleibt abzuwarten, ob die Bürger den MIP auch wirklich so intensiv nutzen, wie sich das die Mehrheit der Kommunalpolitiker erhofft.
Hinweis: Die Schwarzbuch-Fälle aus ganz Deutschland sind auf www.schwarzbuch.de einsehbar.
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