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Weitere Entscheidung zum Daimler-Thermofenster: Entwicklung und Einsatz allein keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung

14.07.2021, http://www.musterkanzlei.info/2002288/news/recht/aktuell/12709-thermofenster

Die Entwicklung und der Einsatz eines Thermofensters, also einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems, reichen für sich genommen nicht aus, um einen Schadenersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu begründen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer weiteren Entscheidung zur Thematik des (Daimler-)Thermofensters entschieden.

Der Kläger erwarb im Oktober 2012 vom beklagten Fahrzeughersteller ein Neufahrzeug vom Typ Mercedes-Benz C 220 CDI BlueEfficiency zu einem Kaufpreis von rund 35.000 Euro. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 ausgestattet und unterliegt keinem Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt. Für den Fahrzeugtyp wurde eine Typgenehmigung nach der Verordnung 715/2007/EG mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt.

Die Abgasreinigung in dem Fahrzeug erfolgt über die Abgasrückführung, bei der ein Teil der Abgase wieder der Verbrennung im Motor zugeführt wird, was zu einer Verringerung der Stickoxidemissionen führt. Die Abgasrückführung wird bei kühleren Temperaturen reduziert ("Thermofenster"), wobei zwischen den Parteien streitig ist, bei welchen Außen-/Ladelufttemperaturen dies der Fall ist.

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe durch den Einbau des Thermofensters und verschiedener weiterer Abschalteinrichtungen in verbotener Weise Einfluss auf das Emissionsverhalten genommen, so im Typgenehmigungsverfahren die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte vorgespiegelt und den Kläger dadurch vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Er verlangt von der Beklagten im Wesentlichen die Erstattung des gezahlten Kaufpreises zuzüglich Finanzierungskosten, Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs und abzüglich einer Nutzungsentschädigung.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts steht dem Kläger kein Schadenersatzanspruch aus § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen die Beklagte zu. Das Inverkehrbringen des vom Kläger erworbenen Fahrzeugs sei unabhängig von der objektiven Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des in der Motorsteuerung installierten "Thermofensters" weder als sittenwidrige Handlung einzustufen noch ergebe sich daraus der erforderliche Schädigungsvorsatz der Beklagten. Es könne ohne konkrete Anhaltspunkte nicht unterstellt werden, dass die Verantwortlichen bei der Beklagten in dem Bewusstsein agiert hätten, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Die Gesetzeslage sei hinsichtlich der Zulässigkeit von "Thermofenstern" nicht eindeutig. Soweit der Kläger eine Vielzahl weiterer Steuerungsstrategien zur Abgasreinigung behaupte, fehle es an einem konkreten Bezug zum hier in Rede stehenden Fahrzeug und damit jedenfalls an einem substantiierten, dem Beweis zugänglichen Sachvortrag.

Der BGH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses sei allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die Entwicklung und der Einsatz der Thermofenster für sich genommen nicht ausreichen, um einen Schadenersatzanspruch nach § 826 BGB zu begründen. Wie der BGH bereits in seinem Beschluss vom 19.01.2021 (VI ZR 433/19) ausgeführt habe, sei der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit vielmehr nur dann gegeben, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setze jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Dies sei im Streitfall nicht festgestellt.

Unter den Umständen des Einzelfalles rechtsfehlerhaft habe das Berufungsgericht aber konkreten Sachvortrag des Klägers zu einer der weiteren behaupteten Abschalteinrichtungen als prozessual unbeachtlich angesehen. Aus diesem Grund sei die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen hierzu treffen kann.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.07.2021, VI ZR 128/20

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