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Immer mehr Schulden
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Verstoß gegen die Schuldenbremse?

Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen e. V. / Newsticker Nordrhein-Westfalen / Meldungen 12.05.2023, Jens Ammann

Vom Sondervermögen Corona-Rettungsschirm zum Sondervermögen Krisenbewältigung. Ende 2022 schloss die Landesregierung den Corona-Rettungsschirm. Eigentlich eine gute Nachricht für die Steuerzahler des Landes – gäbe es nicht das neue Sondervermögen Krisenbewältigung. Verstoßen die Kredite gegen die Schuldenbremse?

Zu Beginn der Corona-Pandemie war die Verunsicherung groß. Prognosen waren vage, mögliche Auswirkungen auf die Wirtschaft konnten nur mit Fragezeichen versehen werden. Rettungsschirme des Bundes und der Länder sollten die finanziellen Folgen für die Bürger, Freiberufler, Unternehmen, Vereine und Kommunen abfedern; so auch in Nordrhein-Westfalen. Der Haken: Für den so genannten Rettungsschirm musste der Finanzminister neue Schulden aufnehmen. 25 Milliarden Euro durften es werden, ohne die Schuldenbremse zu brechen. Die ist in NRW in der Landeshaushaltsordnung geregelt und darf nur in Ausnahmesituationen wie etwa Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen gebrochen werden. Dem ersten Haken folgt ein zweiter: Sage und schreibe 50 Jahre will sich das Land Zeit lassen, um diese Schulden wieder zurückzuzahlen – so viel wie kein anderes Bundesland. Der Bund der Steuerzahler NRW hatte diese über zwei Generationen laufende Frist mehrfach kritisiert. Es folgte der dritte Haken: Mit dem Geld wurden nicht nur Tests oder Masken gekauft und Betroffene unterstützt. Es wurden auch Projekte finanziert, die überhaupt nichts mit Corona zu tun hatten, zum Beispiel aus den Bereichen Klimaschutz, Waldwirtschaft oder Altlastensanierungen von Grundstücken. Also Maßnahmen, die ohnehin auf der Agenda standen und deshalb aus dem allgemeinen Haushalt bezahlt werden müssten. Auch das hat der BdSt NRW regelmäßig kritisiert. Das „offizielle Ende“ des Rettungsschirms ist zu begrüßen. Es können keine Maßnahmen mehr mit einem Corona-Stempel versehen werden, die nichts mit der Bekämpfung der Pandemie oder ihren Folgen zu tun haben. Die Bilanz ist bislang etwas hinter den Befürchtungen zurückgeblieben.

Schulden sind unklar

Im „Abschließenden Bericht der Vorsitzenden des Haushalts- und Finanzausschusses“ ist allerdings unklar, wie viel Schulden aufgenommen wurden. Einmal ist für das Jahr 2021 von rund 4,6 Milliarden Euro die Rede, etwas später von knapp 5,7 Milliarden Euro. Bis Ende des Jahres 2022 musste das Land je nach Lesart knapp 20 Milliarden Euro oder gut 21 Milliarden Euro Schulden für den Rettungsschirm aufnehmen. „Zuführungen aus Haushaltverbesserungen“ in den Jahren 2021 und 2022 verbesserten die Bilanz um 3 Milliarden Euro, weitere Verbesserungen gab es aus kleineren Positionen. Auf der anderen Seite bewilligte der Haushalts- und Finanzausschuss laut dem Bericht in den Jahren 2020 bis 2022 aus dem Rettungsschirm Maßnahmen in Höhe von rund 16,2 Milliarden Euro. Bis Anfang Februar wurden dafür 13,1 Milliarden Euro ausgegeben. Hinzu kamen noch einmal kleinere Positionen, so dass Ende 2022 im Rettungsschirm noch 7,2 Milliarden Euro vorhanden waren. Die sollen für beschlossene, aber noch nicht bezahlte Maßnahmen eingesetzt werden und über 4 Milliarden Euro für die Tilgung von Krediten.
Die Meinungen gehen auseinander, warum mehr Kredite aufgenommen wurden als Ausgaben bewilligt. Es dürfte aber kein gutes Geschäft gewesen sein, Kredite aufzunehmen, um sie damit zu tilgen. Ein Teil der Kredite wurde zwar zu negativen Zinsen aufgenommen, allerdings ein großer Teil variabel, und die Zinsen sind rasant gestiegen. Wirklich freuen kann sich der BdSt NRW über das Ende des so genannten „Sondervermögens Corona-Rettungsschirm“ nicht, denn es wurde unmittelbar vom nächsten Sondervermögen abgelöst: Das „Sondervermögen Krisenbewältigung“ erlaubt es dem Finanzminister, noch einmal 5 Milliarden Euro neue Schulden aufzunehmen. Damit soll die Krisensituation bewältigt werden, die durch den Krieg in der Ukraine entstanden ist.

Stellungnahme des Finanzministeriums

Im Finanzministerium heißt es dazu: „Dies ist notwendig, da viele Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Institutionen mehr und mehr unter den mittelbaren Folgen, insbesondere den stark gestiegenen Energiepreisen und der hohen Inflation, leiden und ein deutlicher Einbruch der Wirtschaftsleistung erkennbar wird.“ Für die neuen Schulden musste der Landtag für die Jahre 2022 und 2023 eine „außergewöhnliche Notsituation im Sinne des Haushaltsverfassungsrechts“ feststellen, schließlich sei NRW härter betroffen als andere Bundesländer. Finanzminister Dr. Marcus Optendrenk wörtlich: „Mit den wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffskriegs und der Energiekrise für Nordrhein-Westfalen, die auch in den Prognosen renommierter Wirtschaftsforschungsinstitute nunmehr zum Ausdruck kommen, hat sich eine neue Situation ergeben, die ein schnelles Handeln der Landesregierung erfordert.“ In der Vorlage zum Haushaltsgesetz heißt es: „Zur Krisenvorsorge sind Maßnahmen förderfähig, die einerseits der Bekämpfung der aktuellen Notlage dienen und anderseits ermöglichen, für deren weitere Zuspitzung gewappnet zu sein.“ Aus Sicht des BdSt NRW mögen das hehre Ziele sein, doch ob sie ein neues Sondervermögen, bzw. neue Schulden in Höhe von 5 Milliarden Euro rechtfertigen, ist fraglich. Schließlich finanziert das Land noch freiwillige Programme, deren Priorität geringer als die Krisenbewältigung sein dürfte. Auch die Erhöhung der Konjunkturprognose durch die Wirtschaftsweisen lässt die Steuerzahlerfrage nach der Notwendigkeit neuer Schulden zu.

Klagen beim Verfassungsgerichtshof

Zweifel an diesem Sondervermögen haben auch die Oppositionsparteien. SPD und FDP haben am 3. April vor dem Verfassungsgerichtshof in Münster Klage eingereicht, und zwar gleich in zwei Punkten: Gegen das NRW-Krisenbewältigungsgesetz richtet sich eine so genannte „abstrakte Normenkontrollklage“. Es sei nicht ausreichend begründet, weshalb der Weg über ein Sondervermögen gewählt wurde und nicht über den normalen Haushalt. Die im Haushalt 2023 vorgesehene Kreditermächtigung seien ein Verstoß gegen die Schuldenbremse. Gleichzeitig haben die Parteien auch eine Organklage gegen den Finanzminister und die Landesregierung eingereicht. Die im Oktober und November 2022 aufgenommen Corona-Rettungsschirm-Kredite in Höhe von 4 Milliarden Euro seien eine Verletzung des Budgetrechts. Der BdSt NRW sieht dem Ausgang der Klage mit Spannung entgegen.

 

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