Hindernisse auf Privatweg: Keine Beseitigungspflicht
Trotz Sparbuchs: Kein Auszahlungsanspruch
Unerlaubte Glücksspielangebote im Internet: Sperrungsanordnung gegenüber Access-Provider rechtswidrig
Für die von der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder gegenüber einem Zugangsvermittler (Access-Provider) angeordnete Sperrung von Internetseiten eines ausländischen Glücksspielanbieters besteht keine Rechtsgrundlage. Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz in einem Eilverfahren entschieden.
Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder in Halle ist bundesländerübergreifend verantwortlich für die Bekämpfung illegalen Glücksspiels im Internet und der Werbung dafür. Mit Bescheid vom 13.10.2022 ordnete sie gegenüber der Antragstellerin – einer Anbieterin von Telekommunikationsdiensten mit Sitz in Rheinland-Pfalz – an, bestimmte Internetseiten (Domains) mit Glücksspielangeboten von zwei Lotterieunternehmen mit Sitz in Malta im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten als Zugangsvermittler zu sperren, sodass ein Zugriff über die von der Antragstellerin in Deutschland zur Verfügung gestellten Zugänge zum Internet nicht mehr möglich wäre. Die Antragstellerin erhob dagegen Klage und suchte zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nach.
Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz lehnte ihren Eilantrag ab. Auf die hiergegen eingelegten Beschwerden der Antragstellerin und der beigeladenen Glücksspielanbieter änderte das OVG die VG-Entscheidung ab und ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die angefochtene Sperrungsanordnung an.
Die gegenüber der Antragstellerin getroffene Sperrungsanordnung sei offensichtlich rechtswidrig. Sie könne nicht auf die Ermächtigungsgrundlage in § 9 Absatz 1 Satz 3 Nr. 5 des am 01.07.021 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrages 2021 (GlüStV 2021) gestützt werden. Nach dieser Bestimmung könne die Antragsgegnerin als Glücksspielaufsicht nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote Maßnahmen zur Sperrung dieser Angebote gegen im Sinne der §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes (TMG) verantwortliche Diensteanbieter, insbesondere Zugangsvermittler und Registrare, ergreifen, sofern sich Maßnahmen gegenüber einem Veranstalter oder Vermittler dieses Glücksspiels als nicht durchführbar oder nicht erfolgversprechend erwiesen.
Diese Voraussetzungen seien aber nicht erfüllt. Bei der Antragstellerin handele es sich bereits nicht um einen im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortlichen Diensteanbieter, sodass es keiner Entscheidung bedürfe, ob die weiteren Voraussetzungen der Regelung für ein Einschreiten gegen die Antragstellerin gegeben seien. Das Gericht teilt die Auffassung der Antragsgegnerin nicht, dass sich die Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 aus dieser Norm selbst bestimme, ohne dabei auf eine Verantwortlichkeit nach dem Telemediengesetz abzustellen. Der Wortlaut der Vorschrift lasse diese Auslegung nicht zu. Ein derartiges Normverständnis werde auch nicht durch die Entstehungsgeschichte oder den Sinn und Zweck der Regelung getragen.
Die Antragstellerin sei nach Maßgabe des dargelegten Verständnisses des § 9 Absatz 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 kein im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortlicher Diensteanbieter. Nach der für sie als Zugangsvermittler maßgeblichen Regelung in § 8 Absatz 1 Satz 1 TMG seien Diensteanbieter für fremde Informationen, zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermittelten, nicht verantwortlich, sofern sie die Übermittlung nicht veranlasst (Nr. 1), den Adressaten der übermittelten Information nicht ausgewählt (Nr. 2) und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert hätten (Nr. 3). Die Antragstellerin erfülle diese Haftungsausschlussvoraussetzungen. Weder veranlasse sie die Übermittlung der Glücksspielinhalte noch wähle sie diese oder den Adressaten aus. Die Haftungsprivilegierung finde zwar nach § 8 Absatz 1 Satz 3 TMG keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeite, um rechtswidrige Handlungen zu begehen. Ein solcher Fall scheide hier jedoch offenkundig aus.
Die angegriffene Sperrungsanordnung könne auch nicht auf die Auffangermächtigung des § 9 Absatz 1 Satz 2 GlüStV 2021 gestützt werden, wonach die für alle Länder oder in dem jeweiligen Land zuständige Behörde die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen könne. Einer Anwendung dieser allgemeinen Auffangermächtigung stehe insoweit die spezialgesetzliche Sonderregelung des § 9 Absatz 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 entgegen, die eine abschließende Regelung für das Ergreifen von Maßnahmen zur Sperrung unerlaubter Glücksspielangebote gegen Diensteanbieter enthalte, so das OVG.
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 31.01.2023, 6 B 11175/22.OVG