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Musterklagen zu Grundsteuer kommen: Rechtsgutachten bescheinigt Verfassungswidrigkeit des Bundesmodells

19.04.2023, https://onlineservice.addison.de/1748528759/urlapi/xml/aktuell/show/id/16657

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) Deutschland sowie Haus & Grund Deutschland werden gegen die Grundsteuer klagen. Die beiden Verbände kündigten am 18.04.2023 Musterklagen gegen das in elf Bundesländern geltende Bundesmodell an. Dabei stützen sie sich auf ein von ihnen in Auftrag gegebenes Gutachten des Verfassungsrechtlers Gregor Kirchhof von der Universität Augsburg. Dieses komme zu dem Ergebnis, dass das Grundsteuergesetz des Bundes verfassungswidrig ist. Derzeit geplant seien auf dieser Grundlage sechs Musterprozesse, und zwar in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und zwei in Nordrhein-Westfalen, so BdSt-Präsident Reiner Holznagel und Haus & Grund-Präsident Kai H. Warnecke.

Beim Bundesmodell orientiere sich die Grundsteuer an dem Wert von Grund und Boden. Damit greife es strukturell in den Bereich der Vermögen- und Einkommensteuer ein. Der Bund schaffe also kein eigenes Bewertungssystem für die Grundsteuer, obwohl das Bundesverfassungsgericht ein solches ausdrücklich verlangt habe, so die Kritik. Hinzu komme, dass der Bund, wenn er die Bemessung der Grundsteuer an den Verkehrswerten und damit an möglichen Verkaufserlösen ausrichtet, die Steuerbemessung in die Nähe der Einkommensteuer rücke, obwohl sich die Einkommen- und die Grundsteuer – von der Verfassung her – unterscheiden müssten.

Weiterer Kritikpunkt ist, dass die Bodenrichtwerte wenig vergleichbar sind. Dies zeigt sich laut Gutachten am Beispiel Berlin: Die begehrte Wohnlage Wannsee habe zum 01.01.2022 einen Bodenrichtwert von 1.500 gehabt. In der weniger attraktiven Lage Neukölln sei der Wert mit 3.200 gut doppelt so hoch. Die Bodenrichtwerte wiesen "systematische Bewertungslücken" auf. Ihre strikte Anwendung stelle einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 Grundgesetz dar.

Das Gutachtem stört sich auch an den Pauschalierungen. Das Bundesmodell greife auf sehr viele Parameter zurück: Im Rahmen der pauschalen Nettokaltmieten müssten die Gebäudeart, Wohnflächen, Baujahr, Mietniveau-Stufen (und Abschläge hiervon), Bewirtschaftungskosten, Liegenschaftszinssatz, Restnutzungsdauer und der abgezinste Bodenwert berücksichtigt werden. Der Bund habe eine äußerst komplexe Bewertung entwickelt, die im Massen-Verfahren nur schwer anwendbar sei. Manchmal seien die Parameter kompliziert zu ermitteln (Brutto-Grundfläche). Andere genutzte Kriterien seien realitätsfern und deshalb gleichheitswidrig (pauschale Nettokaltmieten, Bodenwert). Das Recht sei nun deshalb so kompliziert, weil der Bund Kompetenzschranken eingehalten hat, die nach der Verfassungsreform im Jahr 2019 nicht mehr bestanden hätten. Somit belaste das Bundesrecht die vielen Grundsteuerpflichtigen – ohne Grund – mit zu aufwendigen Mitwirkungspflichten. Damit würden die Grundrechte verletzt.

Auch beachte das Bundesmodell individuelle Umstände nicht. Baulasten, Denkmalschutz-Auflagen, Immissionen, Baumängel oder ein besonders guter Erhaltungszustand: Solche "individuellen öffentlich-rechtlichen Merkmale" sowie "individuellen privatrechtlichen Vereinbarungen und Belastungen" würden bei der Bewertung der Grundstücke nicht berücksichtigt. Damit würden maßgebliche Parameter gleichheitswidrig außer Acht gelassen. Der grundlegende Fehler des Bundesmodells lieg darin, den Grund der Belastung nicht erkennbar zu regeln und zu versuchen, den Wert von Grund und Boden grob zu ermitteln. Doch Immobilienwerte müssten entweder anhand zahlreicher Kriterien genau bewertet oder in einfachen, gleichheitsgerechten Pauschalierungen steuerlich bemessen werden. Das Bundesgesetz wähle aber einen verfassungswidrigen Mittelweg.

Wie sehr die Grundstückseigentümer tatsächlich belastet werden, stehe erst dann fest, wenn die Gemeinden über die Hebesätze entschieden haben. Dann würden die meisten Grundlagen-Bescheide aber schon bestandskräftig sein. Damit drohe eine Rechtsschutzlücke, kritisiert Kirchhof. Dennoch sei schon jetzt klar, dass die Bewertung nach dem Bundesmodell strukturell eine mehr als doppelt so hohe finanzielle Belastung der Betroffenen im Vergleich zu den einfacheren Modellen in Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen verursacht.

Insgesamt gehe das Grundsteuergesetz des Bundes in zehn Schritten einen steuerlichen Sonderweg, der das Grundgesetz verletzt, so das Fazit des Gutachtens. BdSt und Haus & Grund fordern vor diesem Hintergrund die elf Bundesländer, die das verfassungswidrige Bundesgesetz anwenden, auf, jetzt die Zeit bis zum Jahr 2025, in dem die neue Grundsteuer zum ersten Mal erhoben wird, zu nutzen. Es brauche verfassungskonforme Grundsteuergesetze, um eine Fülle an verfassungswidrigen Steuereingriffen zu verhindern und die Finanzen der Gemeinden, die die Grundsteuereinnahmen erhalten, zu sichern.

Die Länder sollten sich für ein Grundsteuersystem der Ländern Bayern, Hamburg, Hessen oder Niedersachsen entscheiden. Die notwendigen Daten seien vorhanden, der Vollzug sei weitgehend vorbereitet. Das zu komplizierte und intransparente Bundesgesetz würde durch klare und einfach anzuwendende Landesgesetze ersetzt. Alle Betroffenen würden deutlich entlastet – die Finanzverwaltung, die Gerichte, die Steuerberater und die Steuerzahler.

Haus & Grund, PM vom 18.04.2023

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