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Ihr Widerspruch: So reagieren die Städte und Gemeinden auf die Widersprüche der Bürger
Mit einer Blitzumfrage unter den 396 Kommunen in Nordrhein-Westfalen wollte der Bund der Steuerzahler (BdSt) in Erfahrung bringen, wie die Bearbeitung der Widersprüche gegen die womöglich überhöhten Abwassergebühren abläuft. Bis zum Redaktionsschluss haben über 170 Kommunen geantwortet.
Der überwiegende Teil handhabt die Widersprüche bürgerfreundlich und unbürokratisch. Einge Städte formulieren rigide Widerspruchsschreiben. Mancherorts geht es eher kurios vor sich. Zugegeben, die kalkulatorische Verzinsung bei kommunalen Benutzungsgebühren ist durchaus schwere Kost. Diesen Kostenfaktor sieht man nicht, er wird von Ort zu Ort unterschiedlich gehandhabt. Dennoch: jede(r), die/der einen Haushalt führt, zahlt Gebühren für die Leistungen der gemeindlichen Ver- und Entsorgung und ist deshalb betroffen. Nicht selten geht es dabei um vierstellige Belastungen jährlich. Aus Mietersicht zählen diese in aller Regel zur zweiten Miete und machen, neben den Heizkosten, einen erheblichen Anteil aus. Dies verdeutlicht, welche Bedeutung den Gemeindeabgaben als Bestandteil der Wohnkosten eigentlich beizumessen ist. Auch für Gewerbetreibende handelt es sich häufig um einen echten Kostenblock: Der mittelständische Unternehmer mit großflächigen Produktionshallen zahlt unter Umständen mehrere tausend Euro allein an Regenwassergebühr im Jahr.
Die Aktion „Faire Abwassergebühren. Jetzt.“ hat – wie zu erwarten war – auch bissige Reaktionen hervorgerufen. Einige Bürgermeister und Kämmerer sahen sich veranlasst mitzuteilen, dass die Rechtsprechung zur kalkulatorischen Verzinsung seit Jahren verfestigt sei. Das hat nie jemand bestritten. Aber Leben heißt auch Veränderung. Und eine Rechtsprechung aus dem Jahr 1994 kann nach fast 30 Jahren durchaus an die Lebenswirklichkeit angeglichen werden. Das sehen auch zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Rathäusern so. Sie meldeten sich beim BdSt NRW, um ihre Unterstützung zu signalisieren und in ihrem Umfeld für die Aktion zu werben.
In dieses Bild passt auch, dass zahlreiche Städte und Gemeinden die Bearbeitung der Widersprüche aussetzen. Es ist aus Sicht des BdSt NRW unbedingt zu vermeiden, dass eine Klagewelle bei den Verwaltungsgerichten losgetreten wird. Auch in den Rathäusern sollte unnötige Bürokratie vermieden werden.
Der Königsweg
Das Mittel der Wahl sind nach wie vor Verlautbarungen der Rathauschefs, dass der Ausgang des BdSt-Musterprozesses in der Gebührenkalkulation ab dem Jahr 2021 berücksichtigt wird und Widersprüche insoweit gar nicht nötig sind.
Insel der Glückseligen
Vorbildlich ist die Gemeinde Nottuln hervozuheben. Im Jahr 2020 betrug der kalkulatorische Zinssatz dort 1,10 Prozent. Für dieses Jahr ist er auf 1,13 Prozent gestiegen. Die Abschreibungen erfolgen nach Anschaffungs- bzw. Herstellungswerten und nicht nach den höheren Wiederbeschaffungszeitwerten. Trotz dieser gebührenzahlerfreundlichen Gebührenbemessung lässt die Gemeinde alle Widersprüche bis zum Ausgang des Musterprozesses vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land NRW in Münster ruhen. Alles in allem mustergültig und im Sinne der Nottulner Steuerzahler. Einfach und gut machen geht offensichtlich auch.
Zahlreiche weitere Städte und Gemeinden kommen ihren Bürgern und Unternehmen mit mit dem Zurückstellen der Widersprüche ebenfalls entgegen.
Kurioses
In Plettenberg und Voerde wird den Widerspruchsführern das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen übersandt mit der Aufforderung, dies zu lesen und über den Widerspruch nachzudenken. Diese mehrseitige Verwaltungsgerichtsentscheidung hat zumindest die BdSt-NRW-Mitglieder überhaupt nicht beeindruckt, sondern darin bestärkt, den Musterprozess zur Klärung allgemeiner Rechtsfragen weiterhin zu unterstützen.
In Winterberg ist das Stammkapital als Basis zur Eigenkapitalverzinsung durchaus gebührenzahlerfreundlich gewählt worden. Der Zinsanteil in der Kalkulation ist deshalb bezogen auf den Gebührensatz im Centbereich. Mit einem Zinssatz von 6 Prozent liegt aber in jedem Fall ein rechtswidriger Gebührensatz vor. Dem Vernehmen nach wurden die Widerspruchsführer überredet, ihre Widersprüche zurückzunehmen. Ein solches Vorgehen hält der BdSt NRW für äußerst fragwürdig.