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Identitätsermittlung von Asylantragstellern: Auslesen von Handys erst nach Ausschöpfung milderer Mittel zulässig

17.02.2023, https://onlineservice.addison.de/1748528759/urlapi/xml/aktuell/show/id/15330

Die bei Fehlen von Pässen oder Passersatzpapieren regelmäßig erfolgende Auswertung digitaler Datenträger (unter anderem Mobiltelefone) durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bei der Registrierung von Asylantragstellern ist ohne hinreichende Berücksichtigung sonstiger vorliegender Erkenntnisse und Dokumente nicht rechtmäßig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden.

Die Klägerin, ihren Angaben zufolge eine afghanische Staatsangehörige, reiste ins Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, ohne einen gültigen Pass oder Passersatz vorzulegen. Zum Identitätsnachweis reichte sie unter anderem eine von afghanischen Behörden ausgestellte so genannte Tazkira (Ausweisdokument ohne biometrische Daten) und eine Heiratsurkunde ein. Das BAMF forderte die Klägerin auf, ihr Mobiltelefon herauszugeben sowie dessen Zugangsdaten mitzuteilen. Dem kam die Klägerin nach. Nach kurzfristiger Auslesung und Datenspeicherung erhielt sie das Telefon zurück.

Auf ihre Klage hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Anordnung gegenüber der Klägerin, die Zugangsdaten für ihr Mobiltelefon zur Verfügung zu stellen, rechtswidrig und das BAMF nicht berechtigt gewesen sei, die Daten der Klägerin von ihrem Mobiltelefon auszulesen, mittels Software auszuwerten, den aus der Auswertung generierten Ergebnisreport für das Asylverfahren freizugeben und der Entscheidung über den Asylantrag zugrunde zu legen. Die sonst vorliegenden Erkenntnisse und Dokumente hätten gegenüber der Datenauswertung ein milderes Mittel zur Identitätsfeststellung dargestellt.

Das BVerwG stimmt dem VG zu. Die Auswertung digitaler Datenträger zur Ermittlung von Identität und Staatsangehörigkeit eines Ausländers sei erst zulässig, wenn der Zweck der Maßnahme, bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Anordnung, nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann. Im Fall der Klägerin hätten nach den bindenden Feststellungen des VG mildere und damit vom BAMF vorrangig heranzuziehende Mittel – hier: Tazkira, Heiratsurkunde, Registerabgleiche und Nachfrage beim Sprachmittler zu sprachlichen Auffälligkeiten – zur Gewinnung weiterer Indizien zur Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit zur Verfügung gestanden. Damit erweise sich die an die Klägerin gerichtete Aufforderung, ihre Zugangsdaten für die Auswertung ihres Mobiltelefons mitzuteilen, als unverhältnismäßig und deshalb rechtswidrig. Entsprechendes gelte für die Auswertung des Datenträgers.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.02.2023, BVerwG 1 C 19.21

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