DSi kompakt Nr. 41: Regionalflughäfen - teure Experimente zulasten der Steuerzahler
Pläne zum Kohleausstieg nachbessern!
Geld auf Knopfdruck
Streit um Missbrauch von Corona-Hilfen
Bereits am 19. März 2020 hatte der Berliner Senat die Corona-Soforthilfe II für Solo-Selbständige und Kleinunternehmer beschlossen. Die Zuschüsse von bis zu 5.000 Euro aus Landesmitteln sollten akute Liquiditätslöcher stopfen und die Soforthilfe aus Bundesmitteln ergänzen. Gut eine Woche später öffnete die Investitionsbank Berlin (IBB) im Auftrag des Landes Berlin die Geldschleusen und überwies innerhalb von nur zwei Wochen ganz unbürokratisch rund 1,6 Milliarden Euro an 191.500 Antragsteller. Aber wie viele solche Selbständige gibt es eigentlich?
Am 27. März begann die IBB im Auftrag des Landes Berlin damit, Zuschüsse für Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmer zu vergeben. In einer Kombination aus Bundes- und Landesmitteln gab es für Unternehmen mit maximal fünf Beschäftigen Zuschüsse von bis zu 14.000 Euro bzw. 15.000 Euro für Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten.
Die kombinierte Beantragung aus Landes- und Bundesmitteln wurde dann aber bereits am 6. April 2020 auf Beschluss des Berliner Senats in ein einheitliches Bundesprogramm überführt. Hierdurch standen dann Zuschüsse für Unternehmen mit bis zu 5 Beschäftigten in Höhe von 9.000 Euro und 6 bis 10 Beschäftigten in Höhe von 15.000 Euro zu Verfügung.
Für Verwirrung bei den Antragstellern sorgten aber unterschiedliche Voraussetzungen für die Programme. Insbesondere bei der Frage, wofür die Soforthilfe II überhaupt verwendet werden darf, gab es für Anträge bis einschließlich 1. April 2020 gravierende Unterschiede. Bis dahin war die Verwendung der Zuschüsse aus Landesmitteln auch für die Gehälter der Beschäftigten und entgangene Unternehmereinkünfte erlaubt. Aus den Bundesmitteln war die Verwendung für Personalkosten und Unternehmerlohn zur Deckung privater Lebenshaltungskosten hingegen ausdrücklich ausgeschlossen. Auch die Einschränkung für beide Programme, dass die Tätigkeit im Haupterwerb ausgeübt werden muss, gab die IBB erst ab dem 31.03.2020 vor.
Aus Sicht des Bundes der Steuerzahler ist der Senat damit in den ersten Tagen der Corona-Soforthilfe weit über das Ziel hinausgeschossen. Für das Personal wäre das Kurzarbeitergeld das Instrument der ersten Wahl gewesen und für Selbständige nur bei Bedürftigkeit Hartz-IV. „Damit konnte sich sogar der vermögende Einzelunternehmer legal einen Einkommensausfall vom Steuerzahler erstatten lassen.“, kritisiert der Berliner Landesvorsitzende, Alexander Kraus, dieses unsoziale Gießkannenprinzip.
Bevor diesem Treiben durch die Zusammenlegung der Programme ein Riegel vorgeschoben wurde, waren aber in fünf Tagen bereits rund 900 Millionen Euro von der IBB an mehr als 100.000 Unternehmen, Soloselbstständige und Freiberufler überwiesen worden. „Damit erhalten die durch die Corona-Epidemie in Notlage geratenen Unternehmer staatliche Hilfe so schnell wie in keinem anderen Land in Deutschland“, kommentierte Jürgen Allerkamp, Vorstandsvorsitzender der IBB, die unbürokratische Ausschüttung von Steuergeldern.
Was Allerkamp und Senat als unbürokratisch bezeichnen, könnte sich aber als ein allzu leichtfertiger Umgang mit öffentlichen Mitteln erweisen, der den Steuerzahler teuer zu stehen kommt. „Wenn auf Knopfdruck nach Eingabe der Kontonummer ohne große Prüfung Geld überwiesen wird, braucht man sich auch nicht zu wundern, dass es massiven Missbrauch gibt“, meint BdSt-Vorsitzender Kraus. Tatsächlich ist zwischenzeitlich ein Streit zwischen Bund und Land darüber ausgebrochen, wie vielen Anspruchsberechtigte es in Berlin überhaupt gibt und ob auch Lebenshaltungskosten hätten gedeckt werden dürfen.
Anfang Juni hatten Medien übereinstimmend davon berichtet, dass der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und ehemalige Berliner Finanzsenator, Ulrich Nußbaum, dem Land Berlin u.a. vorwerfe, dass es in Berlin nur 170.000 Antragsberechtigte gebe, obwohl rund 210.000 Anträge gestellt worden seien. Weiterhin wurde berichtet, dass dem die Senatsverwaltung für Finanzen widersprochen hätte. Tatsächlich gebe es in Berlin sogar 370.000 Antragsberechtigte.
Der Bund der Steuerzahler hält die letztere Zahl für zu hoch gegriffen und schaute sich die Statistiken selbst an. Nach Angaben des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg waren in Berlin im vierten Quartal 2019 2,0913 Millionen Personen in irgendeiner Weise erwerbstätig. Im März 2020 waren nach Angaben der Agentur für Arbeit 154.249 Arbeitslose und damit sogar weniger als im Vormonat gemeldet. Sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren 1,5576 Millionen Personen. Daraus ergibt sich sogar eine Differenz von über 500.000 Personen, die erwerbstätig, aber nicht abhängig beschäftigt und damit womöglich selbständig sind. Allerdings gab es im Juni 2019 auch gut 347.000 erwerbsfähige Bezieher von Arbeitslosengeld II. Leider gibt es bei den Zahlen zahlreiche Überschneidungen. Nicht jeder ALG-II-Empfänger gilt automatisch auch als arbeitslos, es gibt abhängig Beschäftigte, die zusätzlich auch selbständig sind und erwerbstätige Senioren, die aufgrund ihres Alters nicht mehr zu der statistischen Gruppe der Erwerbspersonen zählen und andernfalls weder Arbeitslosengeld I noch II beziehen könnten. Außerdem dürfte es auch Erwerbstätige geben, die trotzdem auf Transferleistungen angewiesen sind. Insgesamt gab es in Berlin Ende 2018 rund 2,3 bis 2,4 Millionen Menschen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren.
Der Bund der Steuerzahler fürchtet, dass in dem Zeitfenster zwischen dem 27. und 30. März 2020 somit eine riesige Personengruppen ganz legal in den Genuss von Subventionen zur Deckung des Lebensunterhalts aus dem Landesprogramm gekommen sein könnten, die hierauf überhaupt nicht angewiesen waren, weil sie die Selbständigkeit auch vorher schon nicht im Haupterwerb ausgeübt haben oder nicht bedürftig waren.
Dies könnten nach Ansicht des Bundes der Steuerzahler selbst Angestellte und Beamte gewesen sein, die nur nebenberuflich selbständig warten. In Frage kommen auch Personen, die die Selbständigkeit zum Beispiel nur neben der Erziehung von Kindern ausüben und das Familieneinkommen hauptsächlich von einem gutverdienenden Partner eingebracht wird. Selbst ein vermögender Freelancer ohne nennenswerte Betriebsausgaben konnte Geld vom Steuerzahler bekommen.
Das Land hat hier offenbar zugelassen, was in den Vorgaben des Bundes extra ausgeschlossen war. Der Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler Berlin, Alexander Kraus, warf dem Senat einen leichtfertigen Umgang mit Steuergeld vor: „Corona war und ist eine Herausforderung. Milliardenbeträge ohne Plan und Kontrolle auf Knopfdruck auszuschütten ist fahrlässig. Wir werden in der Diskussion auch die persönliche Verantwortung der Regierungsmitglieder ansprechen müssen.“