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Der Vertrag über ein Benutzerkonto bei einem sozialen Netzwerk geht grundsätzlich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben des ursprünglichen Kontoberechtigten über. Diese haben damit einen Anspruch gegen den Netzwerkbetreiber auf Zugang zu dem Konto einschließlich der darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalte, wie der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden hat.
Geklagt hatte die Mutter eines mit 15 Jahren verstorbenen Mädchens, die mit dem Vater Mitglied der Erbengemeinschaft nach ihrer Tochter ist. Die Beklagte betreibt ein soziales Netzwerk, über dessen Infrastruktur die Nutzer miteinander über das Internet kommunizieren und Inhalte austauschen können. 2011 registrierte sich die Tochter der Klägerin im Alter von 14 Jahren im Einverständnis ihrer Eltern bei dem sozialen Netzwerk der Beklagten und unterhielt dort ein Benutzerkonto. 2012 verstarb das Mädchen unter bisher ungeklärten Umständen infolge eines U-Bahn-Unglücks.
Die Klägerin versuchte hiernach, sich in das Benutzerkonto ihrer Tochter einzuloggen. Dies war ihr jedoch nicht möglich, weil die Beklagte es inzwischen in den so genannten Gedenkzustand versetzt hatte, womit ein Zugang auch mit den Nutzerdaten nicht mehr möglich ist. Die Inhalte des Kontos blieben jedoch bestehen. Die Klägerin beansprucht von der Beklagten, den Erben Zugang zum vollständigen Benutzerkonto zu gewähren, insbesondere zu den darin enthaltenen Kommunikationsinhalten. Die Erbengemeinschaft benötige den Zugang, um Aufschluss darüber zu erhalten, ob ihre Tochter kurz vor ihrem Tod Suizidabsichten gehegt habe, und um Schadenersatzansprüche des U-Bahn-Fahrers abzuwehren. Ihre Klage war letztlich erfolgreich.
Die Erben hätten gegen die Beklagte einen Anspruch, ihnen den Zugang zum Benutzerkonto der Erblasserin und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren, so der BGH. Dies ergebe sich aus dem Nutzungsvertrag zwischen der Tochter der Klägerin und der Beklagten, der im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben übergegangen sei. Dessen Vererblichkeit sei nicht durch die vertraglichen Bestimmungen ausgeschlossen. Die Nutzungsbedingungen enthielten hierzu keine Regelung. Die Klauseln zum Gedenkzustand seien bereits nicht wirksam in den Vertrag einbezogen. Sie hielten überdies einer Inhaltskontrolle nach § 307 Absätze 1 und 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht stand und seien daher unwirksam.
Auch aus dem Wesen des Vertrags ergebe sich keine Unvererblichkeit des Vertragsverhältnisses. Insbesondere sei dieser nicht höchstpersönlicher Natur, betont der BGH. Der höchstpersönliche Charakter folge nicht aus im Nutzungsvertrag stillschweigend vorausgesetzten und damit immanenten Gründen des Schutzes der Persönlichkeitsrechte der Kommunikationspartner der Erblasserin. Zwar möge der Abschluss eines Nutzungsvertrags mit dem Betreiber eines sozialen Netzwerks in der Erwartung erfolgen, dass die Nachrichten zwischen den Teilnehmern des Netzwerks jedenfalls grundsätzlich vertraulich bleiben und nicht durch die Beklagte dritten Personen gegenüber offengelegt werden. Die vertragliche Verpflichtung der Beklagten zur Übermittlung und Bereitstellung von Nachrichten und sonstigen Inhalten sei jedoch von vornherein kontobezogen. Sie habe nicht zum Inhalt, diese an eine bestimmte Person zu übermitteln, sondern an das angegebene Benutzerkonto. Der Absender einer Nachricht könne dementsprechend zwar darauf vertrauen, dass die Beklagte sie nur für das von ihm ausgewählte Benutzerkonto zur Verfügung stellt. Es bestehe aber kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass nur der Kontoinhaber und nicht Dritte von dem Kontoinhalt Kenntnis erlangen. Zu Lebzeiten müsse mit einem Missbrauch des Zugangs durch Dritte oder mit der Zugangsgewährung seitens des Kontoberechtigten gerechnet werden und bei dessen Tod mit der Vererbung des Vertragsverhältnisses.
Eine Differenzierung des Kontozugangs nach vermögenswerten und höchstpersönlichen Inhalten scheide aus, so der BGH weiter. Nach der gesetzgeberischen Wertung gingen auch Rechtspositionen mit höchstpersönlichen Inhalten auf die Erben über. So würden analoge Dokumente wie Tagebücher und persönliche Briefe vererbt, wie aus §§ 2047 Absatz 2 und 2373 Satz 2 BGB zu schließen sei. Es bestehe aus erbrechtlicher Sicht kein Grund dafür, digitale Inhalte anders zu behandeln. Einen Ausschluss der Vererblichkeit aufgrund des postmortalen Persönlichkeitsrechts der Erblasserin hat der BGH ebenfalls verneint. Auch das Fernmeldegeheimnis stehe dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Der Erbe sei, da er vollständig in die Position des Erblassers einrückt, jedenfalls kein «anderer» im Sinne des § 88 Absatz 3 Telekommunikationsgesetz.
Schließlich kollidiere der Anspruch der Klägerin auch nicht mit dem Datenschutzrecht. Der BGH hat hierzu die seit 25.05.2018 geltende Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) anzuwenden. Diese stehe dem Zugang der Erben nicht entgegen. Datenschutzrechtliche Belange der Erblasserin seien nicht betroffen, da die Verordnung nur lebende Personen schütze. Die der Übermittlung und Bereitstellung von Nachrichten und sonstigen Inhalten immanente Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Kommunikationspartner der Erblasserin sei sowohl nach Artikel 6 Absatz 1b DS-GVO als auch nach Artikel 6 Absatz 1f DS-GVO zulässig. Sie sei sowohl zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Kommunikationspartnern der Erblasserin erforderlich (Artikel 6 Absatz 1b DS-GVO) als auch aufgrund berechtigter überwiegender Interessen der Erben (Artikel 6 Absatz 1f DS-GVO).
Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.07.2018, III ZR 183/17