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Entgeltgleichheit: Diskriminierungsvermutung nicht mit Argument besseren Verhandlungsgeschicks widerlegbar

17.02.2023, https://onlineservice.addison.de/1748528759/urlapi/xml/aktuell/show/id/15327

Eine Frau hat Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt. Daran ändert sich laut Bundesarbeitsgericht (BAG) nichts, wenn der männliche Kollege ein höheres Entgelt fordert und der Arbeitgeber dieser Forderung nachgibt.

Die Klägerin ist seit dem 01.03.2017 bei der Beklagten als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb beschäftigt. Ihr einzelvertraglich vereinbartes Grundentgelt betrug zunächst 3.500 Euro brutto. Ab dem 01.08.2018 richtete sich ihre Vergütung nach einem Haustarifvertrag. Die für die Tätigkeit der Klägerin maßgebliche Entgeltgruppe dieses Vertrags sah ein Grundentgelt von 4.140 Euro brutto vor. In § 18 Absatz 4 des Haustarifvertrags heißt es: “Für den Fall, dass das neue tarifliche Grundentgelt das bisherige tarifliche Entgelt (…) überschreitet, erfolgt die Anpassung um nicht mehr als 120 Euro/brutto in den Jahren 2018 bis 2020“. In Anwendung dieser Deckelungsregelung zahlte die Beklagte der Klägerin ab 01.08.2018 ein Grundentgelt von 3.620 Euro brutto, das in jährlichen Schritten weiter angehoben werden sollte.

Neben der Klägerin waren als Außendienstmitarbeiter im Vertrieb der Beklagten zwei männliche Arbeitnehmer beschäftigt, einer davon seit 01.01.2017. Die Beklagte hatte auch diesem Arbeitnehmer ein Grundentgelt von 3.500 Euro brutto angeboten, was dieser jedoch ablehnte. Er verlangte für die Zeit bis zum Einsetzen einer zusätzlichen leistungsabhängigen Vergütung, das heißt bis zum 31.10.2018, ein höheres Grundentgelt von 4.500 Euro brutto. Die Beklagte gab dieser Forderung nach. Nachdem sie dem Arbeitnehmer in der Zeit von November 2017 bis Juni 2018 – wie auch der Klägerin – ein Grundentgelt von 3.500 Euro gezahlt hatte, vereinbarte sie mit diesem ab dem 01.07.2018 eine Erhöhung des Grundentgelts auf 4.000 Euro brutto. Dies begründete sie damit, der Arbeitnehmer sei einer ausgeschiedenen, besser vergüteten Vertriebsmitarbeiterin nachgefolgt. Ab dem 01.08.2018 zahlte die Beklagte dem männlichen Arbeitnehmer ein tarifvertragliches Grundentgelt nach derselben Entgeltgruppe wie der Klägerin, das sich in Anwendung der Deckelungsregelung des Haustarifvertrags auf 4.120 Euro brutto belief.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung rückständiger Vergütung für die Zeit von März bis Oktober 2017 in Höhe von monatlich 1.000 Euro brutto, rückständige Vergütung für den Monat Juli 2017 in Höhe von 500 Euro brutto sowie rückständige Vergütung für die Zeit von August 2018 bis Juli 2019 in Höhe von monatlich 500 Euro brutto. Sie meint, die Beklagte müsse ihr ein ebenso hohes Grundentgelt zahlen wie ihrem fast zeitgleich eingestellten männlichen Kollegen. Schließlich verrichte sie die gleiche Arbeit wie ihr männlicher Kollege. Da die Beklagte sie beim Entgelt aufgrund des Geschlechts benachteiligt habe, schulde sie ihr zudem eine angemessene Entschädigung in Höhe von mindestens 6.000 Euro.

Das BAG gab der Klage weitgehend statt. Die Beklagte habe die Klägerin in der Zeit von März bis Oktober 2017 sowie im Juli 2018 aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt. Denn sie habe der Klägerin, obgleich diese und der männliche Kollege gleiche Arbeit verrichteten, ein niedrigeres Grundentgelt gezahlt. Die Klägerin habe deshalb einen Anspruch auf das gleiche Grundentgelt wie ihr männlicher Kollege.

Der Umstand, dass die Klägerin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt erhalten hat als ihr männlicher Kollege, begründe die Vermutung nach § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt sei. Der Beklagten sei es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Insbesondere könne sie sich für den Zeitraum von März bis Oktober 2017 nicht mit Erfolg darauf berufen, das höhere Grundentgelt des männlichen Kollegen beruhe nicht auf dem Geschlecht, sondern auf dem Umstand, dass dieser ein höheres Entgelt ausgehandelt habe. Für den Monat Juli 2018 könne die Beklagte die Vermutung der Entgeltbenachteiligung aufgrund des Geschlechts insbesondere nicht mit der Begründung widerlegen, der Arbeitnehmer sei einer besser vergüteten ausgeschiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt.

Für den Zeitraum ab 01.08.2018 ergebe sich der höhere Entgeltanspruch der Klägerin bereits aus dem Tarifvertrag. Entgegen der Auffassung der Beklagten finde die Deckelungsregelung auf die Klägerin keine Anwendung, weil diese zuvor kein tarifliches, sondern ein einzelvertraglich vereinbartes Entgelt erhalten hat.

Das BAG hat dem auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Absatz 2 AGG gerichteten Antrag der Klägerin teilweise entsprochen und dieser eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts in Höhe von 2.000 Euro zugesprochen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.02.2023, 8 AZR 450/21

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