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„Aus der Zeit gefallen“

Service GmbH / Top News 15.10.2020

Über den geplanten Kanzleramts-Anbau sprach BdSt-Präsident Reiner Holznagel mit der Passauer Neuen Presse – und auch über die geplante Tilgung der Neuverschuldung, die zwar zulässig, aber nicht nachhaltig ist.  

Herr Holznagel, das Bundeswirtschaftsministerium plant eine Verlängerung der Corona-Überbrückungshilfen. Wie lange können wir uns diese Maßnahmen noch leisten?

Holznagel: Die derzeitigen Hilfen fließen nur schwerfällig ab: Fast die gesamten Bundeshilfen in Höhe von knapp 25 Milliarden Euro liegen brach. Deshalb ist eine Verlängerung durchaus sinnvoll, doch müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden! Ziel der Hilfen ist es ja, Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum zu sichern. Deshalb müssen die Hilfen zielgenau und tatsächlich wirkungsvoll sein!

 Vor allem das Hotel- und Gaststättengewerbe, aber auch Selbstständige sollen unterstützt werden. Sind das aus Ihrer Sicht sinnvolle Hilfen?

Holznagel: Die beste Hilfe, die der Staat geben kann, sind gute Rahmenbedingungen. In der jetzigen Situation sind monetäre direkte Hilfen für kleine und mittlere Unternehmen natürlich lebensrettend. Einzelne Branchen wie das Hotel- und Gaststättengewerbe sind hier besonders betroffen. Eines muss dabei klar sein: Hilfsmaßnahmen werden nicht wirken, wenn die Betroffenen nicht ihren Geschäften nachgehen können. Insofern sollte die Politik schnell nachvollziehbare, kalkulierbare und einheitliche Regelungen im Kampf gegen Corona erlassen. Doch das, was derzeit passiert, ist nicht immer nachvollziehbar und keine Hilfe für die Wirtschaft.

 Finanzminister Olaf Scholz warnt, man dürfe nun nicht gegen die Krise ansparen. Ist die Politik ohne Neuverschuldung jetzt auf Dauer vorbei?

Holznagel: Mit Verlaub, diesen Satz von Herrn Scholz finde ich total daneben. Jetzt ist die Politik in der Pflicht zu helfen – dafür steht genug Geld zur Verfügung. Zudem müssen Bund und Länder Prioritäten in den Haushalten setzen. Ein aktuelles Beispiel: Es fällt völlig aus der Zeit, dass in Berlin über einen opulenten und millionenschweren Erweiterungsbau für das Kanzleramt gesprochen wird – dieses Projekt sollte mindestens auf Eis gelegt werden. In diesem Sinne sollte jedes Ressort auf Bundes- und Landesebene prüfen, welche Ausgaben wirklich notwendig sind, um gut durch die Krise zu kommen – und welche Ausgaben wir uns sparen können. Schließlich müssen am Ende alle Schulden zurückgezahlt werden. Es wäre auch ein richtiges und wichtiges Signal, wenn die Bundesregierung neben Unterstützungsmaßnahmen Sparpläne realisiert. Ohne durchgreifende Haushaltskonsolidierung kommen wir kaum von weiteren Schulden los, um Haushaltslöcher zu stopfen. Mittelfristiges Ziel muss also sein, wieder die Schwarze Null zu erwirtschaften. Ohne dieses Ziel ginge Deutschland geschwächt in eine nächste Krise.

Wie sollen die Lücken wieder geschlossen und die Rekordschulden wieder getilgt werden?

Holznagel: Das ist die Gretchenfrage der Zukunft! Einige Politiker kokettieren mit Steuererhöhungen – solchen Plänen erteile ich eine klare Absage, weil Steuererhöhungen zu weniger Wirtschaftswachstum beitragen und damit die Steuerkasse nicht gut füllen. Stattdessen braucht es einen Mix aus nachhaltigem Wirtschaftswachstum mit Steuermehreinnahmen und einem klugen Sparprogramm. Auf der Ausgabenseite müssen die Haushalte konsolidiert werden: Einsparung werden nötiger sein denn je! Dass die Politik gerade auf Bundesebene nicht dazu bereit ist, zeigt der aktuelle Tilgungsplan: Den Steuerzahlern wird zwar versprochen, dass dieses Geld kontinuierlich zurückgezahlt wird, in Wirklichkeit will die Regierung ab 2023 aber nur weniger Schulden aufnehmen als sie dies nach den Regeln der Schuldenbremse dürfte. Das nennt sie dann Tilgung. Haushaltsrechtlich ist das zwar zulässig, aber eine nachhaltige und sorgsame Politik sieht anders aus! Dieser Schachzug zeigt nochmals: Wir brauchen wieder die Schwarze Null und einen echten Abbau von Schulden.

 Aktuell droht eine zweite Corona-Welle. Die Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen nur noch mit einer langsamen Erholung der Wirtschaft. Welche Weichen muss die Bundesregierung jetzt stellen, um die Konjunktur wieder anzukurbeln?

Holznagel: Klar ist, dass wir die Pandemie weiter bekämpfen und alles für die Gesundheit der Bevölkerung tun müssen. Nach dem ersten Lockdown haben wir aber gelernt, dass nicht alle Maßnahmen zur Infektionsbekämpfung sinnvoll und nachhaltig waren. Insofern verstehe ich die jetzt getroffenen unterschiedlichen Maßnahmen teilweise nicht. Sie sind enorm wirtschaftsgefährdend. Ganze Branchen kämpfen gegen die Pleite! Deshalb wünsche ich mir nicht nur eine bessere Abstimmung unter den Ländern und mit dem Bund, sondern auch klare und nachvollziehbare Regelungen. Die Gesundheit der Menschen ist enorm wichtig, aber auch das wirtschaftliche Leben in Deutschland! Beides muss gut zusammengebracht werden, beides muss aufeinander abgestimmt sein. Dieses Ziel müssen Bundesregierung und Landesregierungen verfolgen.

Das Interview führte Andreas Herholz

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