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Ärzte-Siegel: Sind wegen Irreführung wettbewerbswidrig

14.02.2023, https://onlineservice.addison.de/1748528759/urlapi/xml/aktuell/show/id/15250

Ein Verbraucherschutzverband hat erfolgreich auf Unterlassung der Verleihung und Publizierung so genannter Ärzte-Siegel durch einen Verlag geklagt. Der Verlag verleihe Ärzten gegen ein Entgelt Siegel, die sie als so genannte Top Mediziner beziehungsweise "Focus Empfehlung" auszeichnen, rügt der Verband. Das Landgericht (LG) München gab ihm Recht. Die Siegel-Vergabe verstoße gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsgebot.

Einmal im Jahr erscheint bei der Beklagten das Magazin "FOCUS Gesundheit" unter dem Titel "Ärzteliste". Gegen eine zu bezahlende Lizenz von rund 2.000 Euro netto erhalten Ärzte ein Siegel unter der Rubrik "FOCUS EMPFEHLUNG", das sie sodann werbend benutzen können und dies auch (unter Angabe der Fachrichtung beziehungsweise des Landkreises) tun.

Die Beklagte verstoße durch die Vergabe der Siegel, die nach ihrem eigenen Vortrag von den Ärzten werblich genutzt werden sollen, gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsgebot, hat das LG München I entschieden. Mit den Siegeln werde bei deren angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt, dass die betreffenden Ärzte, die als "TOP-Mediziner" bezeichnet beziehungsweise als "FOCUS-Empfehlung" angepriesen werden, aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet wurden und dadurch eine Spitzenstellung unter den Ärzten gleicher Fachdisziplin einnehmen.

Die von der Beklagten gegen Bezahlung einer nicht unerheblichen so genannten Lizenzgebühr vergebenen Siegel hätten die Aufmachung eines Prüfzeichens und würden in den vorgelegten Medien auch als solche werbend verwendet. Die angesprochenen Verkehrskreise fassten die Siegel, die von der Beklagten lizenziert werden, ähnlich wie Prüfsiegel der Stiftung Warentest auf und gingen davon aus, die betreffenden Ärzte seien aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet worden.

Nach der Lebenserfahrung habe der Hinweis auf ein Prüfzeichen für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers eine erhebliche Bedeutung. Der Verbraucher erwarte, dass ein mit einem Prüfzeichen versehenes Produkt oder eine Dienstleistung von einer neutralen und fachkundigen Stelle auf die Erfüllung von Mindestanforderungen anhand objektiver Kriterien geprüft wurde und bestimmte, von ihm für die Güte und Brauchbarkeit der Ware als wesentlich angesehener Eigenschaften aufweist.

Tatsächlich sei es aber selbst nach dem Vortrag der Beklagten so, dass sich die Qualität ärztlicher Dienstleistungen nicht mit Messgeräten im Testlabor ermitteln und vergleichen lasse. Vielmehr seien von den Kriterien, die nach dem Vortrag der Beklagten bei ihren Empfehlungslisten berücksichtigt würden, Kriterien dabei, die auf ausschließlich subjektiven Elementen beruhten, wie zum Beispiel die Kollegenempfehlung oder die Patientenzufriedenheit.

Die Beklagte könne auch nicht damit gehört werden, die Lizenzierung so genannter Siegel sei ein unselbstständiger, nachgelagerter Akt der Ärztelisten, der ebenfalls von der Pressefreiheit umfasst sei. Zwar habe sich die Pressefreiheit in dem Sachverhalt, der einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 07.11.2002, 1 BvR 580/02) zugrunde gelegen habe, auch auf die Refinanzierung der redaktionellen Inhalte erstreckt. Diese Aussage des BVerfG habe sich jedoch allein darauf bezogen, dass in dem dort zu entscheidenden Fall nicht festgestellt werden konnte, dass durch die Veröffentlichung von Ranglisten in sittenwidriger Weise auf die Aufgabe von Inseraten hingewirkt wurde und dass anzeigenfinanzierte Medien regelmäßig darauf angewiesen sind, zur Schaltung von Anzeigen zu motivieren.

Hiervon unterscheide sich der vorliegende Fall jedoch grundlegend, stellt das LG klar. Die Wettbewerbswidrigkeit der Prüfsiegel ergebe sich hier daraus, dass in irreführender Weise der Bereich des redaktionellen, wertenden Beitrags verlassen und der Eindruck erweckt werde, es finde eine Bewertung nach objektiven Kriterien statt.

Hinzu komme, dass Medien zwar regelmäßig darauf angewiesen sind, sich durch Anzeigen zu finanzieren, nicht jedoch durch die Vergabe von Prüfsiegeln gegen ein nicht unerhebliches Entgelt. Dass dies eine unübliche, nicht zwingend erforderliche Art der Finanzierung redaktioneller Beiträge ist, zeige der eigene Vortrag der Beklagten, wonach die Verteilung der Siegel erst eine Reaktion auf den vor etwa zehn Jahren eingetretenen so genannten Wildwuchs gewesen sei. Davor seien die Magazine mit den Ärztelisten ganz offensichtlich anders finanziert worden.

Landgericht München I, Urteil vom 13.02.2023, 4 HKO 14545/21, nicht rechtskräftig

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