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Die öffentliche Verschwendung 2021/22: In Krisenzeiten besonders schmerzlich

Bund der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen e. V. / Presseinformation 09.11.2021, Jan Vermöhlen

Niedersachsen & Bremen mit 12 Fällen im Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler vertreten

Mit neun Beispielen aus Niedersachsen und drei Fällen aus Bremen macht der Bund der Steuerzahler in seinem diesjährigen Schwarzbuch auf die Verschwendung von Steuergeldern aufmerksam. Die Bandbreite reicht von vermeidbaren Pannen beim Versand von Corona-Informationsschreiben bis hin zu millionenschweren Versäumnissen bei der Anlage öffentlicher Gelder. „Gerade in Zeiten, in denen die Pandemie-Schulden die öffentlichen Haushalte und damit auch die Steuerbürger an den Rand ihrer Belastungsfähigkeit bringen, ist jeder vergeudete Euro ein Euro zu viel“, erklärt BdSt-Vorsitzender Bernhard Zentgraf und ergänzt: „Die öffentliche Hand muss sparsamer und wirtschaftlicher agieren, damit die öffentlichen Finanzen Stabilität finden. Wer knappe Haushaltsmittel verschwendet, hat wenig Spielraum, die Corona-Schulden zu tilgen und zukunftsträchtige Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung zu tätigen“.

Großen Raum im diesjährigen Schwarzbuch nimmt die Pleite der Bremer Greensill-Bank ein. Diese hatte bis zu ihrer Zwangsschließung durch die Banken- und Finanzaufsicht im März 2021 mit auffällig hohen Renditeversprechen bundesweit um die Gunst anlagewilliger Städte und Gemeinden geworben. Mit den Städten Osnabrück (14 Mio. €), Nordenham (13,5 Mio. €) und dem Stadtentwässerungsbetrieb der Stadt Garbsen (8,5 Mio. €) sind ihr gleich drei niedersächsische Kommunen auf den Leim gegangen – dabei hätte den Finanzfachleuten in den Kommunen bekannt sein müssen, dass Finanzeinlagen staatlicher Stellen im Pleitefall von Privatbanken nicht von der gesetzlichen Einlagensicherung geschützt sind. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens dürfte allenfalls ein Bruchteil der im Feuer stehenden 36 Mio. Euro den Weg zurück nach Niedersachsen finden. Ein Debakel für die Steuerzahler!

Die übrigen Schwarzbuchfälle aus Niedersachsen und Bremen im Überblick:

Einen besonders hartnäckigen Fall der Steuergeldverschwendung stellt der gemeindeeigene Restaurant- und Mensabetrieb der Gemeinde Wathlingen im dortigen Vier-Generationen-Park dar. Bereits 2017 rügte der Bund der Steuerzahler die 6.200-Einwohner-Gemeinde im Landkreis Celle für den verlustreichen Betrieb, doch sie hielt trotzdem daran fest. Die Verluste summieren sich bis Ende des Jahres 2021 auf fast 2,9 Mio. Euro, im Schnitt sind das ca. 313.000 Euro pro Geschäftsjahr. Der Betrieb eines Restaurants kann nicht Aufgabe einer Gemeinde sein, kritisiert der Bund der Steuerzahler. Erst recht nicht, wenn den Steuerzahlern hierfür Jahr für Jahr tief ins Portmonee gegriffen wird.

Statt direkt auf die Unterstützung der Kommunen und Einwohnermeldeämter zurückzugreifen, beauftragte das Niedersächsische Sozialministerium zum Auftakt der Impfkampagne im Januar 2021 einen Dienstleister mit dem Versand von Informationsschreiben an alle Bürger über 80 Jahre. Die zu diesem Zweck eingekauften Adressdaten waren allerdings so lückenhaft, dass die Kommunen anschließend ein zweites Schreiben auf den Weg bringen mussten. Kosten für den fehlerhaften ersten Durchlauf: 138.000 Euro.

Sowohl der Bund als auch das Land Bremen fingen seit Frühjahr 2020 pandemiebedingte Einnahmeausfälle Bremer Krankenhäuser auf, indem sie den Kliniken Ausgleichszahlungen für leergebliebene Betten leisteten. Unzulängliche Ausgleichsbestimmungen führten dabei in Bremerhaven zu höchst fragwürdigen Doppel-Zahlungen in Millionenhöhe. Denn wegen eines Trägerwechsels zu Beginn des Jahres 2020 machten gleich zwei Klinikträger erfolgreich Ausgleichsansprüche für die 42 Betten ein und derselben Kinderklinik geltend.

Im April 2019 ließ die Stadt Braunschweig zwei sogenannte CityTrees, mit Moos bepflanzte Gitterwände, in der Stadt errichten. Die Mooswände kosteten 112.500 Euro (inkl. Betriebskosten) und sollten laut Hersteller wahre klimatische Wunder bewirken. Wissenschaftliche Untersuchungen konnten die Herstellerangaben jedoch nicht bestätigen. Die fragwürdigen Mooswände sicherten zudem eine Finanzspritze des Bundesumweltministeriums zum Braunschweiger Stadtbegrünungs- und Klimaschutzprogramm. Für den Bund der Steuerzahler ein Paradebeispiel für die Fehlanreize des deutschen Fördersystems.

Im Rahmen des Modellprojekts „Schutzstreifen außerorts“ ließ das Bundesverkehrsministerium von 2013 bis 2018 alternative Radverkehrsführungen außerhalb von geschlossenen Ortschaften erproben. In den niedersächsischen Landkreisen Northeim und Grafschaft Bentheim mussten die Teststrecken, obwohl sie von Nutzern und Praktikern durchweg positiv bewertet wurden, für 763.000 Euro wieder zurückgebaut werden. Alleiniger Grund: Bürokratische Vorschriften.

Bereits zum dritten Mal musste die Freie Hansestadt Bremen im Mai 2021 die Einführung einer neuen Software zur Bearbeitung von Unterhaltsvorschussleistungen verschieben. Statt Ende 2019 soll diese nun erst Ende März 2022 einsatzbereit sein. Der Unterhaltsvorschuss sichert den finanziellen Unterhalt von minderjährigen Kindern Alleinerziehender, wenn der unterhaltspflichtige andere Elternteil seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann oder will. Die neue Software könnte zu einer effizienteren Rückforderung der verauslagten Gelder beitragen und den städtischen Haushalt damit um rund 1 Mio. Euro im Jahr entlasten.

Für ein neues Toilettenhaus am Großen Bullensee bei Kirchwalsede hat der Landkreis Rotenburg (Wümme) stolze 335.000 Euro und damit fast 130.000 Euro mehr ausgegeben als ursprünglich veranschlagt. Ein Teil der Mehrkosten entfällt dabei kurioserweise auf die energetische Dämmung des Flachdachs und der Außenwände, obwohl die Toilettenanlage von November bis März geschlossen bleibt und lediglich gegen Frost gesichert werden muss. Hierfür verantwortlich sind rigide deutsche Bauvorschriften.

„Ambitioniert gestartet und grandios gefloppt“ ist das 5 Mio. Euro teure Regenwaldpanorama der Zoo Hannover GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die Region Hannover ist. Statt der zunächst erwarteten 280.000 Besucher verzeichnete „Amazonien“ selbst im Eröffnungsjahr schätzungsweise gerade mal 60.000 zahlungswillige Gäste – eine gigantische Fehleinschätzung. Bis zur Schließung des Panoramas Ende 2020 schätzt der Bund der Steuerzahler die laufenden Panorama-Defizite auf weitere 5 Mio. Euro.

Zur Unterstützung pandemiegebeutelter Geschäftsleute und Gastronomen ließ die Freie Hansestadt Bremen im Oktober 2020 gleich 140 Piktogramme mit dem Abbild der Bremer Stadtmusikanten auf Wege und Plätze pinseln. Sie sollten Touristen als „intuitive“ Wegweiser in die Innenstadt dienen. Nur wenige Wochen später waren viele der Piktogramme bereits unleserlich beschädigt – die Farbe hatte nicht gehalten. Unnötige Kosten von rund 214 Euro pro Piktogramm tragen die Steuerzahler.

Die 8,4 Mio. Euro teure Umgehungsstraße im ostfriesischen Esens-Bensersiel, einst als „längster Schwarzbau Deutschlands“ bezeichnet, hat noch einmal Kosten für die Steuerzahler hervorgerufen. Nachdem zahlreiche Versuche der Stadt Esens, die Straße durch nachträgliche Bauleitplanungen zu legalisieren (Kosten mind. 270.000 Euro) gescheitert waren, einigte sich die Stadt im November 2020 schließlich mit dem für den Bau enteigneten Grundstückseigentümer auf den Kauf der überbauten Landflächen. Auf Rechnung der Steuerzahler zahlte die Stadt 4,4 Mio. Euro. Im Gegenzug ließ der Eigentümer sämtliche Klagen fallen und die Straße konnte nunmehr im März 2021 endgültig für den Verkehr freigegeben werden.

Einen Erfolg konnte der Bund der Steuerzahler in Isenbüttel (Landkreis Gifhorn) verzeichnen. Im Februar 2021 hatte der Aufsichtsrat der sich in öffentlicher Hand befindlichen und dauerdefizitären Tankumsee GmbH eine weitere Geschäftsführerin bestellt. Der Aufsichtsrat rechtfertigte den dritten Chefposten mit der Anschaffung eines neuen Kletterturms direkt am Badesee. Nach öffentlicher Kritik auch des Bundes der Steuerzahler gibt es mittlerweile wieder eine zweiköpfige GmbH-Führungsspitze.

Anmerkung für die Redaktionen:

Die diesjährigen Schwarzbuchfälle aus Niedersachsen und Bremen finden Sie im vollen Wortlaut im Anhang.

Alle Fälle bundesweit finden Sie im Netz unter www.schwarzbuch.de

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