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Schadenersatzklage in «Dieselfall» gegen VW: Kläger muss nicht zu bei VW konkret verantwortlicher Person vortragen

04.08.2020

Wer gegen die VW AG nach Kauf eines vom Abgasskandal betroffenen Kfz einen Schadenersatzanspruch geltend macht, muss nicht vortragen, welche konkrete bei VW tätige Person für den Einsatz der illegalen Abschalteinrichtung verantwortlich ist. Es genüge der Vortrag, die Entscheidung sei auf Vorstandsebene oder jedenfalls durch einen verfassungsmäßig berufenen Vertreter getroffen oder zumindest gebilligt worden, stellt der Bundesgerichtshof (BGH) klar.

Der Kläger erwarb am 04.04.2013 von einem Autohaus einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw VW Tiguan 2.0 TDI zu einem Preis von 21.500 Euro. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 189, Schadstoffnorm Euro 5, ausgestattet, der vom Abgasskandal betroffen ist. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ordnete deswegen Mitte Oktober 2015 einen Rückruf an, der auch das Fahrzeug des Klägers betraf. Die Beklagte entwickelte daraufhin ein Software-Update, das das KBA als geeignet zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit auch des hier streitgegenständlichen Fahrzeugtyps ansah. Der Kläger ließ das Software-Update im Februar 2017 durchführen. Mit seiner Klage begehrt er Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw.

Das Landgericht Braunschweig hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers zum Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig hatte keinen Erfolg. Dem Kläger stünden keine Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte zu, so das OLG. Ansprüche aus § 823 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit § 263 Strafgesetzbuch, § 826 BGB schieden aus, weil der Kläger nicht schlüssig dargelegt habe, welche konkrete Person aus dem in Betracht kommenden Täterkreis (Vorstand, leitende Angestellte) den Betrugstatbestand verwirklicht beziehungsweise ihn vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe. Abgesehen davon fehle es an einem Schaden des Klägers.

Der BGH hat das OLG-Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Rechtsfehlerhaft habe das OLG vom Kläger näheren Vortrag dazu verlangt, welche konkrete bei der Beklagten tätige Person für den Einsatz der illegalen Abschalteinrichtung verantwortlich ist. Die Entscheidung über den Einsatz der Abschalteinrichtung betreffe die grundlegende strategische Frage, mit Hilfe welcher technischen Lösung die Beklagte die Einhaltung der – im Verhältnis zu dem zuvor geltenden Recht strengeren – Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm sicherstellen wollte. Vor diesem Hintergrund habe die Behauptung des Klägers genügt, die Entscheidung sei auf Vorstandsebene oder jedenfalls durch einen verfassungsmäßig berufenen Vertreter getroffen oder zumindest gebilligt worden.

Entgegen der Auffassung des OLG sei der für einen Anspruch aus § 826 BGB erforderliche Schaden des Klägers nicht dadurch entfallen, dass dieser das von der Beklagten entwickelte Software-Update durchgeführt hat. Liegt der Schaden in einem unter Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des Klägers sittenwidrig herbeigeführten ungewollten Vertragsschluss, so entfalle dieser nicht dadurch, dass sich der Wert oder Zustand des Vertragsgegenstandes nachträglich verändern. Ein solcher Schaden falle auch unter den Schutzzweck des § 826 BGB.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 367/19

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