Mitglied werden
Suche
Vor Ort
Presse
Menü

Veränderung pro Sekunde

Login
Menü schließen

Menü schließen

Sie sind hier:  Startseite  Bayern  Newsticker-Archiv    Zitat ohne Kontext: Kann unzulässiges Fe...

Zitat ohne Kontext: Kann unzulässiges Fehlzitat sein

29.05.2024

Wird in einer Berichterstattung nur ein Satz eines Facebook-Posts zitiert, ohne auch den weiteren Kontext wiederzugeben, in dem der zitierte Satz steht (hier: Kritik an der Siedlungspolitik der israelischen Regierung), kann es sich um ein Fehlzitat handeln. Eine an das Zitat anknüpfende Wertung der Aussage als "antisemitisch" kann dagegen eine zulässige Meinungsäußerung sein. So das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main.

Der Kläger ist stellvertretender Vorsitzender einer kleinen Partei und Mitglied der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung. Er wendet sich gegen vier Aussagen im Rahmen zweier Berichterstattungen der Beklagten. In dem Bericht hieß es unter anderem, der Kläger habe auf Facebook geschrieben: "Während man nur noch von Corona redet, hat man den wahren Virus im Nahen Osten vergessen: Israel". Der Kläger meint, die Berichterstattung stelle ihn als Antisemiten dar und verletze ihn in seinen Persönlichkeitsrechten.

Das Landgericht hatte seine auf Unterlassung von vier Aussagen gerichtete Klage insgesamt abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hatte vor dem OLG nur hinsichtlich einer Aussage Erfolg.

Drei der angegriffenen Äußerungen enthielten zulässige Meinungsäußerungen, bestätigte das OLG die Entscheidung der Vorinstanz. Soweit in den Berichten das Adjektiv "antisemitisch" verwendet werde, liege eine zulässige Meinungsäußerung vor. Entgegen der Ansicht des Klägers werde nicht er als Person als Antisemit bezeichnet, sondern konkret aufgeführte Äußerungen als antisemitisch. Die Beklagte habe diese Bewertung auf einen objektiven tatsächlichen Anknüpfungspunkt in Form des vorausgegangenen Posts des Klägers auf Facebook zurückführen können.

Der Post biete (noch) einen ausreichenden Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte diesen Beitrag als antisemitisch habe beurteilen können. Der Kläger habe den Staat Israel durch den Begriff "Virus" mit einem Krankheitserreger gleichgesetzt, der – vergleichbar mit dem Corona-Virus – bekämpft und ausgerottet werden müsse. Bei Abwägung der involvierten Interessen sei auch zu berücksichtigen, dass der Artikel einen Beitrag im geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage darstelle. Für die Öffentlichkeit seien sowohl die kleine Partei als Teil der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung als auch die von ihren Vertretern nach außen vertretenen Ansichten von wesentlichem Interesse.

Mit Erfolg wende sich der Kläger aber gegen die Aussage, dass er auf Facebook das oben wiedergegebene Zitat geschrieben habe. Das Zitat verfälsche die eigentliche Äußerung des Klägers. Im Ursprungspost habe die Äußerung im Kontext mit Kritik an der Siedlungspolitik der israelischen Regierung gegenüber den Palästinensern gestanden. Durch das nicht gekennzeichnete Weglassen dieser Passage erhalte das Zitat eine andere Färbung und entspreche nicht mehr dem, was der Kläger tatsächlich gesagt habe. Mit der Bezeichnung Israels als "wahren Virus" habe der Kläger Kritik an der Siedlungspolitik des israelischen Staats seit 1948 zum Ausdruck bringen wollen. Es mache einen "Unterschied, ob eine generell ablehnende Haltung gegenüber der Bevölkerung Israels geäußert wird, wie es die als Zitat des Klägers wiedergegebene Äußerung der Beklagten nahelege, oder ob hierfür ein sachlicher Bezug, nämlich die dortige Siedlungspolitik angeführt wird", begründete das OLG die Entscheidung.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann der Kläger die Zulassung der Revision beim Bundesgerichtshof begehren.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 08.05.2024, 16 U 169/22, nicht rechtskräftig

Mit Freunden teilen