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Corona-Allgemeinverfügung des Landkreises Limburg-Weilburg: Ist teilweise rechtswidrig

22.01.2021

Die "Allgemeinverfügung zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung des Corona-Virus im Landkreis Limburg-Weilburg im sozialen und betrieblichen Bereich" ist insoweit rechtswidrig, als dort der Bewegungsradius für tagestouristische Ausflüge auf den Umkreis von 15 Kilometer des Wohnortes (politische Gemeinde) beschränkt wird. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden in einem Eilverfahren entschieden. Insoweit habe die vom Antragsteller noch zu erhebende Klage aufschiebende Wirkung.

Es fehle es insoweit an der hinreichenden Bestimmtheit der Allgemeinverfügung. Der Inhalt einer Regelung müsse für die Beteiligten so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, dass sie ihr Verhalten danach ausrichten können.

Bedenklich sei bereits die Verwendung des Begriffs "politische Gemeinde", da dieser für einen Großteil der Bevölkerung aus sich heraus nicht verständlich sein dürfte. In Gemeinden mit mehreren, eventuell weit verstreuten Ortsteilen werde für deren Bewohner nicht hinreichend klar ersichtlich, ob die Grenzen des jeweiligen Ortsteils oder der Gesamtgemeinde gemeint seien.

Unklar bleibe auch, wie die 15 Kilometer ab dem Wohnort zu messen seien. Soweit der Landkreis argumentiert habe, es sei ab dem Punkt der Stadt- oder Gemeindegrenze zu messen, der dem avisierten Ziel am nächsten liege, lasse sich dies dem Wortlaut der Allgemeinverfügung in keiner Weise entnehmen. Nach der Formulierung in der Allgemeinverfügung sei es auch beispielsweise durchaus denkbar, dass eine Berechnung des "Bewegungsradius" ab dem Mittelpunkt der jeweiligen Gemeinde zu erfolgen habe. Auch habe der Landkreis darauf verzichtet, Erklärungen oder Auslegungshinweise zu der Allgemeinverfügung zu veröffentlichen, die zur Konkretisierung und zum besseren Verständnis der Regelung hätten beitragen können.

Zudem sei aus dem Wortlaut und der Begründung der Verfügung nicht klar erkennbar, ob die 15-Kilometer-Grenze bei Überschreiten der Grenzen des Landkreises auch gelten solle, sich also auf das räumliche Hoheitsgebiet des Landkreises beschränken oder sich auch außerhalb dessen fortsetzen solle.

Schließlich werde der Begriff "tagestouristischer Ausflug" weder im Wortlaut der Allgemeinverfügung, beispielsweise durch die Aufzählung von Regelbeispielen, noch in deren Begründung näher erklärt. Soweit der Landkreis vorgetragen habe, bei tagestouristischen Ausflügen handele es sich nach seinem Verständnis um alle Unternehmungen, die der Freizeitgestaltung ohne Übernachtung dienten, sei diese Auslegung keineswegs zwingend. Dies zeige sich bereits darin, dass der Begriff des tagestouristischen Ausfluges in anderen hessischen Gemeinden, die ihn in ihren Allgemeinverfügungen ebenfalls verwendeten, anders verstanden werde. So falle in der Allgemeinverfügung des Landkreises Vogelsberg die Wintersportausübung gerade nicht unter den Begriff des tagestouristischen Ausflugs und im Landkreis Fulda stelle eine Wanderung in der Rhön als freizeitsportliche Aktivität keinen tagestouristischen Ausflug dar. Gerade die Frage, ob sportliche Aktivitäten oder Spaziergänge unter den Begriff der tagestouristischen Ausflüge fallen sollen oder nicht, sei für die Adressaten der Allgemeinverfügung des Landkreises Limburg-Weilburg nicht erkennbar, was insoweit zu deren Rechtswidrigkeit führe.

Zudem habe das VG erhebliche Zweifel daran, ob die Beschränkung des Bewegungsradius für tagestouristische Ausflüge ernsthaft zur Senkung der Infektionsfälle im Landkreis Limburg-Weilburg beitragen könne. Stattdessen dürfte diese Maßnahme dazu führen, dass sich viele Bewohner des Landkreises Limburg-Weilburg, weil sie zumindest nach dem Verständnis des Antragsgegners keine freizeitsportlichen Aktivitäten oder Spaziergänge außerhalb des 15-Kilometer-Radius unternehmen dürften, in geschlossenen Räumen mit dritten Personen treffen würden, was das Infektionsrisiko nicht senken, sondern erhöhen würde.

Die Einhaltung des 15-Kilometer-Radius sei im Einzelfall auch nur schwer überprüfbar und das Aussprechen von Betretungsverboten für bekannte Touristenmagneten stelle eine mildere und zugleich effektivere Maßnahme dar, um überlaufene touristische Ziele zu vermeiden.

Die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen in Nr. 1 und 2 der Allgemeinverfügung erachtet das VG hingegen für rechtmäßig. Insbesondere stelle die Veröffentlichung der Allgemeinverfügung auf der Internetseite eine zulässige Form der öffentlichen Bekanntgabe dar. Die Feststellung einer epidemischen Lage nationaler Tragweite sei durch den Bundestag mit Beschluss vom 27.03.2020 erfolgt. Daher könnten insbesondere die im Infektionsschutzgesetz beispielhaft aufgezählten Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung ergriffen werden, zu denen auch eine Ausgangs- oder Kontaktbeschränkung im öffentlichen und privaten Raum und die Einschränkung touristischer Reisen zählten. Die nächtliche Ausgangsbeschränkung im Zeitraum von 21.00 Uhr bis 5.00 Uhr sei zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie geeignet, da sie allgemein die Kontaktmöglichkeiten in der Bevölkerung während dieses Zeitraums beschränkten. Es reiche hierfür aus, dass die zutreffende Maßnahme "ein Schritt in der richtigen Richtung" sei, so das VG.

So könnten durch die nächtliche Ausgangsbeschränkung private Treffen und Feiern in Familien- und Freundeskreis verhindert werden. Ein weniger belastendes Mittel, das den Erfolg mit gleicher Sicherheit gewähre, sei nicht ersichtlich. Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Bürger, der sich lediglich auf eine Dauer von acht Tagesstunden erstrecke, die zu großen Teilen in der üblichen Schlafenszeit zwischen 0.00 Uhr und 5.00 Uhr gelegen seien, stünden erhebliche Gefahren für hochrangige Schutzgüter wie das Leben, die Gesundheit und die körperliche Unversehrtheit einer potenziell sehr großen Zahl von Menschen gegenüber. Angesichts der hohen Infektionszahlen und zunehmenden Anzahl von Todesfällen bestehe aktuell die Gefahr, dass ohne die Beachtung, Überwachung und Durchsetzung einfachster Hygiene-Regeln, zu denen insbesondere die Kontaktbeschränkungen und Einhaltung eines Mindestabstands gehörten, die Infektionszahlen noch weiter ansteigen, das Gesundheitssystem überlastet und die Zahl der Todesfälle noch dramatischer ansteigen würde. Durch die in Nr. 2 der Allgemeinverfügung vorgesehenen Ausnahmen sei die Ausgangsbeschränkung auch verhältnismäßig.

Gegen den Beschluss steht den Beteiligten binnen zwei Wochen die Beschwerde zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof offen.

Verwaltungsgericht Wiesbaden, Beschluss vom 15.01.2021, 7 L 31/21.WI, nicht rechtskräftig

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