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Ausgangsbeschränkung der Region Hannover: Ist voraussichtlich rechtswidrig

09.04.2021

Die nächtliche Ausgangsbeschränkung in der Region Hannover, die seit dem 02.04.2021 gilt, ist voraussichtlich rechtswidrig. Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Niedersachsen in einem Eilverfahren bestätigt. Es verweist unter anderem auf die geltenden Kontaktbeschränkungen, die es zunächst mittels staatlicher Kontrollen und Eingreifen bei Verstößen durchzusetzen gelte.

Die Ausgangsbeschränkung in ihrer konkreten Ausgestaltung sei keine notwendige Schutzmaßnahme, da sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, so das OVG. Sie sei nur in einem begrenzten Umfang geeignet, die mit ihr verfolgten legitimen Ziele zu erreichen, im Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen zu vermeiden. Eine Eignung komme ihr aber nur insofern zu, als sie teilweise eine Verschärfung der bereits geltenden Kontaktbeschränkungen bewirke.

Die Ausgangsbeschränkung sei nicht erforderlich. Ausgangsbeschränkungen seien als ultima ratio nur dann in Betracht zu ziehen, wenn Maßnahmen nach § 28a Absatz 1 Infektionsschutzgesetz voraussichtlich nicht mehr griffen. Die von der Antragsgegnerin erstellte Gefährdungsprognose trage die Annahme, dass ohne die streitgegenständliche Ausgangsbeschränkung eine wirksame Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus erheblich gefährdet sei, nicht. Es sei auch zu berücksichtigen, dass in Hochinzidenzkommunen ohnehin verschärfte Kontaktbeschränkungen gölten.

Die Antragsgegnerin habe zudem nicht ansatzweise nachvollziehbar aufgezeigt, dass und in welchem Umfang sie bisher Bemühungen unternommen habe, die behauptete unzureichende Einhaltung der Kontaktbeschränkungen durch staatliche Kontrolle und staatliches Eingreifen zu verbessern, und dass auch gesteigerte Bemühungen von vorneherein erfolglos bleiben würden. Ihrer Beschwerdebegründung lasse sich auch nicht annäherungsweise entnehmen, in welchem Umfang die von ihr angeführten regelwidrigen nächtlichen Zusammenkünfte im privaten Raum tatsächlich stattfänden. Nicht nachprüfbare Behauptungen reichten zur Rechtfertigung einer derart einschränkenden und weitreichenden Maßnahme wie einer Ausgangssperre aber nicht aus, betont das OVG. Insbesondere sei es nicht zielführend, ein diffuses Infektionsgeschehen ohne Beleg in erster Linie mit fehlender Disziplin der Bevölkerung sowie verbotenen Feiern und Partys im privaten Raum zu erklären.

Nach mehr als einem Jahr Dauer des Pandemiegeschehens bestehe die begründete Erwartung nach weitergehender wissenschaftlicher Durchdringung der Infektionswege. Der Erlass einschneidender Maßnahmen lediglich auf Verdacht lasse sich in diesem fortgeschrittenen Stadium der Pandemie nicht mehr rechtfertigen. Soweit die Antragsgegnerin auf die Unterbindung spätabendlicher Treffen junger Menschen an beliebten Treffpunkten in der Öffentlichkeit verweise, dränge sich der Erlass von Betretensverboten hinsichtlich dieser Örtlichkeiten als milderes Mittel auf.

Die mangelnde Erforderlichkeit lasse die streitgegenständliche Ausgangsbeschränkung zwangsläufig auch als nicht angemessen erscheinen, meint das OVG. Die mit der Ausgangsbeschränkung verbundene freiheitsbeschränkende Wirkung sei ganz erheblich. Denn den betroffenen Personen werde für einen mehrstündigen Zeitraum an jedem Tag das Verlassen der eigenen Wohnung ohne triftigen Grund untersagt. Dieser Eingriff sei unter Berücksichtigung der nur begrenzten Eignung und der mangelnden Erforderlichkeit der streitgegenständlichen Ausgangsbeschränkung nicht angemessen und deshalb nicht gerechtfertigt.

Die Ausgangsbeschränkung anzuordnen, um etwaige Defizite bei der Befolgung und nötigenfalls staatlichen Durchsetzung bestehender anderer Schutzmaßnahmen, insbesondere der Kontaktbeschränkungen, auszugleichen, sei jedenfalls solange unangemessen, als von den zur Durchsetzung berufenen Behörden nicht alles Mögliche und Zumutbare unternommen worden sei, um die Befolgung anderer Schutzmaßnahmen sicherzustellen. Bevor dies nicht geschehen sei oder nicht feststehe, dass solche Maßnahmen nicht erfolgversprechend ergriffen oder verbessert werden könnten, sei es nicht angemessen, alle in einem bestimmten Gebiet lebenden Personen einer Ausgangsbeschränkung zu unterwerfen, nur weil einzelne Personen und Personengruppen die geltenden allgemeinen Kontaktbeschränkungen nicht freiwillig befolgten oder nicht staatlicherseits alles Mögliche und Zumutbare unternommen worden sei, um gegenüber diesen Personen und Personengruppen die Einhaltung der allgemeinen Kontaktbeschränkungen durchzusetzen. Das gelte umso mehr, als auch die Ausgangsbeschränkung der freiwilligen Befolgung oder nötigenfalls der staatlichen Durchsetzung bedürfte.

Dabei verkenne das OVG nicht, dass die Antragsgegnerin alleine nicht in der Lage sei, die erforderlichen aktiven Bekämpfungsmaßnahmen in die Wege zu leiten. Bei der Frage der Angemessenheit einer Maßnahme seien aber die gesamten Möglichkeiten staatlichen Handelns in den Blick zu nehmen und der getroffenen Maßnahme gegenüberzustellen.

Oberverwaltungsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 07.04.2021, 13 ME 166/21, unanfechtbar

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