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Anwaltliche und steuerberatende Berufsausübungsgesellschaften: Wahlfreiheit bei Gesellschaftsform

22.01.2021

Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe beschlossen. Der Entwurf sieht eine umfassende Neuregelung des Rechts der Berufsausübungsgesellschaften in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), dem Steuerberatungsgesetz (StBerG) und der Patentanwaltsordnung (PAO) vor. Ziel ist es, der Anwaltschaft, der Patentanwaltschaft und den Steuerberatern gesellschaftsrechtliche Organisationsfreiheit zu gewähren, weitgehend einheitliche und rechtsformneutrale Regelungen für alle rechtsanwaltlichen, patentanwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften zu schaffen und die interprofessionelle Zusammenarbeit zu erleichtern.

Außerdem wird die Berufsausübungsgesellschaft als zentrale Organisationsform rechtsanwaltlichen, patentanwaltlichen und steuerberatenden Handelns anerkannt. Zukünftig soll daher Anknüpfungspunkt der berufsrechtlichen Regulierung nicht mehr ausschließlich die einzelnen Berufsträger sein, sondern auch die Organisationseinheit, in der diese ihren Beruf ausüben.

Über die Neuregelung des Gesellschaftsrechts hinaus modernisiert der Gesetzentwurf das Berufsrecht. Er enthält insbesondere die folgenden Regelungen:

Gesellschaftsrechtliche Organisationsfreiheit: Zukünftig sollen für die Berufsausübungsgesellschaften der Rechtsanwälte, der Patentanwälte und der Steuerberater alle Europäischen Gesellschaften, Gesellschaften nach deutschem Recht und Gesellschaften in einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zulässigen Rechtsform zur Verfügung stehen.

Berufsausübungsgesellschaften werden Träger von Berufspflichten: In Berufsausübungsgesellschaften hängt die Einhaltung der Berufspflichten durch die einzelnen Berufsträger häufig auch von der Organisation der Berufsausübungsgesellschaft selbst ab. Daher sei es nicht sachgerecht, wenn nur die natürliche Person Adressat der Berufspflichten ist, so das Bundesjustizministerium. Der Gesetzentwurf sehe deshalb vor, dass alle Berufsausübungsgesellschaften selbst Träger von Berufspflichten werden.

Zulassungspflicht: Grundsätzlich sollen alle Berufsausübungsgesellschaften zukünftig zulassungspflichtig sein und Mitglieder der Rechtsanwaltskammern, Patentanwaltskammer beziehungsweise der Steuerberaterkammern werden. Die Zulassung der Berufsausübungsgesellschaft ermögliche den Kammern insbesondere bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie bei interprofessionellen Gesellschaften eine Überprüfung, ob diese die für die Einhaltung der Berufspflichten erforderlichen Voraussetzungen erfüllen. Reine Personengesellschaften ohne Haftungsbeschränkung, denen nur Angehörige der rechts-, wirtschafts- und steuerberatenden Berufe angehören, sollen von der Zulassungspflicht jedoch ausgenommen werden.

Einheitliche Anforderungen an Gesellschafter- und Kapitalstruktur: Die bisherigen Mehrheitserfordernisse entfallen. Diese sind laut Justizministerium nicht erforderlich, um die Einhaltung der Berufspflichten sicherzustellen. Die Absicherung der Einhaltung der Berufspflichten erfolge künftig dadurch, dass die Berufsausübungsgesellschaft ihnen unmittelbar unterliegt.

Aufnahme der zugelassenen Berufsausübungsgesellschaften in die von den Kammern geführten elektronischen Verzeichnisse: Dadurch werde insbesondere für die Rechtsuchenden transparent, wer Gesellschafter einer zugelassenen Berufsausübungsgesellschaft ist und welchen Berufsgruppen diese angehören. Außerdem knüpfe das Gesellschaftspostfach an dieses Register an, so das Ministerium.

Erleichterung der interprofessionellen Zusammenarbeit: Die Möglichkeit der interprofessionellen Zusammenarbeit soll für Rechtsanwälte, Steuerberater sowie Patentanwälte auf alle Freien Berufe ausgeweitet werden. Für Rechtsanwälte soll beispielsweise zukünftig die Möglichkeit bestehen, mit einem Architekten zusammenzuarbeiten, wenn sie im Bereich des Baurechts beraten. Ein weiterer möglicher Anwendungsbereich ist die Zusammenarbeit mit Ärzten im Bereich des Medizinrechts oder die Zusammenarbeit mit Ingenieuren bei der Beratung im Anlagebau. Die interprofessionelle Zusammenarbeit stärke daher die Spezialisierung von Anwaltskanzleien, erläutert das Bundesjustizministerium.

Regelung der ausländischen Berufsausübungsgesellschaften: Es sollen klare Regelungen für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen durch ausländische rechts- und patentanwaltliche Berufsgesellschaften mit Sitz außerhalb der Europäischen Union geschaffen werden.

Gesetzliche Regelung des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen: Bisher wurde das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nach § 43a Absatz 4 BRAO beziehungsweise § 39a Absatz 3 PAO allein durch die Satzungsregelung in den jeweiligen Berufsordnungen ausgestaltet. Nunmehr sollen die Grundsätze der Interessenkollision angesichts der grundlegenden Bedeutung der Berufspflicht detailliert gesetzlich geregelt werden.

Öffentlichkeit der berufsgerichtlichen Hauptverhandlung: Die Vorschriften des § 135 BRAO, des § 120 PAO, des § 122 StBerG und des § 99 Wirtschaftsprüferordnung, nach denen die Hauptverhandlung vor den jeweiligen Berufsgerichten derzeit nicht öffentlich ist, sollen aufgehoben werden. Diese Vorschriften stehen laut Justizministerium im Gegensatz zu dem Grundsatz, dass in Deutschland Gerichtsverfahren insbesondere zur Wahrung der Transparenz grundsätzlich öffentlich sind. Besondere Gründe, die für die Verhandlungen vor den Berufsgerichten Ausnahmen rechtfertigen könnten, bestünden nicht mehr, zumal auch bei vergleichbaren Berufen (Beamte, Notare, Richter sowie Ärzte mit Ausnahme von vereinzelten landesgesetzlichen Ausnahmen) sowie in verwaltungsrechtlichen Verfahren nach der BRAO, der PAO und dem StBerG die gerichtlichen Verfahren öffentlich seien.

Stimmverteilung in der Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK): Die derzeitige in § 190 BRAO geregelte Stimmverteilung in der Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer sieht vor, dass jede der 28 Rechtsanwaltskammern eine Stimme hat, obwohl deren Größe zwischen 40 und mehr als 20.000 Mitgliedern differiert. Dies führt dazu, dass Rechtsanwälte großer Rechtsanwaltskammern in der BRAK nicht hinreichend repräsentiert sind, obwohl die BRAK die Interessen der Rechtsanwaltschaft insgesamt wahrnimmt. Es soll daher eine neue Stimmverteilung vorgesehen werden, die sich einerseits an der Größe der Rechtsanwaltskammern orientiert, andererseits aber auch gewährleistet, dass kleineren Rechtsanwaltskammern ein relevantes Mitspracherecht verbleibt.

Bundesjustizministerium, PM vom 20.01.2021

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