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Fragenkatalog zu öffentlichem Tiefbau

Konsolidierungsvorschläge / Kommunalkompass 29.07.2021, Frank Senger

Konstruktiv und kritisch nachfragen

Kreisstraßen und Gemeindestraßen stellen die wichtigste kommunale Verkehrsinfrastruktur dar. Ihr Erhalt und Bau sind bedeutende kommunalpolitische Felder. Daher obliegt es den Kreistags- und Stadt-/Gemeinderatsmitgliedern, den öffentlichen Tiefbau konstruktiv und kritisch zu hinterfragen.

Dabei soll der Fragenkatalog des BdSt helfen. Er ist jedoch weder abschließend noch sind für jede Kommune oder Maßnahme sämtliche Fragen relevant. Der erste Teil umfasst grundlegende Fragen, um umfassend über die Situation in der Kommune informiert zu sein. Im zweiten Teil werden Fragen zu einzelnen Maßnahmen wie einem Neu- oder Ausbau gestellt.

 

I. Grundlegende Fragen

Größe und Zustand des kommunalen Straßennetzes

Grundlegende Fragen müssen geklärt sein, um die Situation rund um das kommunale Straßenwesen zu kennen. Dazu gehören unter anderem Länge und Zustand der kommunalen Straßen. Zudem ist es wichtig, die Verkehrssituation einschätzen zu können, da sie maßgeblich bestimmt, welche Investitionen wirtschaftlich sind.

  • Wie viele km umfasst das Straßennetz in Baulast der Stadt/Gemeinde/des Kreises?
  • Wann wurden die Straßen jeweils gebaut (gemeint ist letzte umfassende Instandsetzung im Sinne eines Ausbaus)?
  • Wie lange ist jeweils die Restnutzungsdauern der Straße?
  • In welche Straßenkategorie (z. B. Hauptverkehrsstraße, Haupterschließungsstraße, Anliegerstraße) fallen die betrachteten Straßen jeweils?
  • Wie ist die Verkehrssituation und ihre erwartete Entwicklung?
  • In welchem Zustand befinden sich jeweils diese Straßen? Wenn möglich, sollte eine entsprechende Karte durch die Verwaltung vorgelegt werden.
  • Wann fand die letzte Zustandserfassung statt? Wann soll die nächste Zustandserfassung erfolgen?
  • Welche Straßen sollen in den nächsten fünf/zehn Jahren umfassend instandgesetzt bzw. ausgebaut werden? Bitte jeweils Art der Maßnahme, Länge, geplante Dauer und Kosten angeben.

Finanzfragen

  • Wie hoch waren die Erhaltungsinvestitionen jeweils in den vergangenen fünf/zehn Jahren? Hierbei bietet sich zudem ein Soll-Ist-Vergleich an.
  • Worin lagen jeweils die Gründe für eventuelle Minder-/Mehrausgaben? Besteht insbesondere Personalbedarf in der für die Straßen zuständigen Fachverwaltung?
  • Welche Folgen hatten die Minder-/Mehrausgaben auf die Straßen?
  • Wie hoch war der Anteil an Ausgaben für die kommunalen Straßen in Relation zu den bereinigten Gesamteinnahmen, den Gesamtausgaben, den Investitionen jeweils in den vergangenen fünf/zehn Jahren? Die Frage soll den Stellenwert ermitteln, den die Straßeninfrastruktur im Haushalt einnimmt.
  • Welche Erhaltungsinvestitionen sind jeweils in den nächsten fünf Jahren geplant? Auch hierzu kann wieder der Anteil an den Gesamteinnahmen und -ausgaben sowie den Investitionen erfragt werden.
  • Wie hoch war jeweils der Anteil an den Straßeninvestitionen für Neubau, Ausbau und Unterhaltung?
  • Wie hoch ist der jährliche Finanzbedarf, um den jetzigen Erhaltungszustand beizubehalten?
  • Wie hoch ist der jährliche Finanzbedarf, um alle Straßen in eigener Baulast innerhalb von fünf/zehn Jahren in eine mindestens gute Zustandsnote zu versetzen? Wie hoch wäre anschließend der jährliche Finanzbedarf, um den guten Erhaltungszustand beizubehalten?

Verwaltung

Baufachliche Mitarbeiter, insbesondere Straßenbau-Ingenieure, sind unerlässlich für eine effiziente Verwaltung. Es hat sich gezeigt, dass selbst engagierte und belesene Verwaltungsmitarbeiter baufachliche Kollegen grundsätzlich nicht ersetzen können. Nur Straßenbau-Ingenieure sind in der Lage, den Straßenzustand einzuschätzen und den Erhaltungsbedarf zu bestimmen. Nur sie können fachlich beurteilen, ob eine abgeschlossene Baumaßnahme korrekt durchgeführt wurde oder ob das beauftragte Unternehmen auf eigene Kosten nachbessern muss. An baufachlichem Personal zu sparen, wäre an der falschen Stelle gespart.

  • Welches Fachpersonal steht der für das Straßenwesen zuständigen Verwaltung zur Verfügung? Wie viele Mitarbeiter sind Straßenbau-Ingenieure, wie viele sonstiges technisches Fachpersonal? Angegeben werden sollte jeweils die Anzahl der Mitarbeiter und die Vollzeitäquivalente (VZÄ).
  • Welche Aufgaben haben jeweils die Mitarbeiter? Inwieweit müssen technische Mitarbeiter Verwaltungsaufgaben und Verwaltungsmitarbeiter technische Aufgaben übernehmen?
  • Sind alle Fachstellen besetzt? Falls nicht, seit wann sind die Stellen jeweils unbesetzt? Welche Gründe liegen vor, dass die Stellen unbesetzt bleiben?
  • Welche Maßnahmen unternimmt die Verwaltung, um insbesondere baufachliche Stellen mit qualifizierten Mitarbeitern zu besetzen?

Straßenunterhaltung

  • Welche finanziellen Mittel stehen zur Straßenunterhaltung zur Verfügung?
  • Wie hoch ist der finanzielle Unterhaltungsbedarf?
  • Welches Personal steht zur Straßenunterhaltung zur Verfügung? Sind diese ausreichend ausgestattet, ihrer Arbeit effizient nachzukommen?
  • Können Bürger Straßenschäden niedrigschwellig, z. B. über die kommunale Internetseite, melden? Werden diese Möglichkeiten genutzt? Falls nicht, woran könnte es liegen?

Schwächen des Straßennetzes

  • Welche nennenswerten Schwachstellen verkehrlicher, welche baulicher Natur weist das Straßennetz auf?
  • An welchen Stellen/Abschnitten könnten extreme Wettereignisse wie Starkregen (Überschwemmungen) und Sturm (fallende Bäume) einerseits zu akuten Verkehrsbehinderungen führen, andererseits Straßenschäden verursachen? Wie kann solchen Problemen vorgebeugt werden?
  • Bestehen hinreichende Ausweichrouten bzw. Umleitungsstrecken?

 

II. Fragen zu einzelnen Maßnahmen und Projekten

Straßenausbau (Verbesserung, Erweiterung, grundlegende Instandsetzung)

Viel weiter als die Straßenunterhaltung geht ein Ausbau der Straße. Definiert ist ein Ausbau als eine grundlegende Erneuerung der Verkehrsanlage, also nicht nur der Fahrbahn, sondern auch des Gehwegs und anderer Teileinrichtungen wie Straßenbegleitgrün und Beleuchtung. Im Zuge eines Ausbaus kann es zu einer völligen Umgestaltung des Straßenbildes kommen, daher ist zu hinterfragen, was notwendig ist und was teurer Luxus.

  • Welchen Zustand und welche Nutzungsintensität von Pkw- und Schwerlastverkehr sowie ÖPNV/Busse und Radfahrer weist die Straße auf? Wie ist die Parksituation am Fahrbahnrand?
  • Wann wurde die Straße zuletzt erneuert? Ist die übliche Nutzungsdauer bereits überschritten?
  • Welche konkreten Schäden weist die Straße auf (z. B. Schlaglöcher, Netzrisse, kaputter Unterbau)?
  • Welche Ziele hat der Ausbau? (Diese Frage sollte in Hinblick auf die verschiedenen Nutzergruppen ausgewertet werden. Bspw. könnte es auf einer Straße mit viel Radverkehr geboten sein, im Zuge des Ausbaus einen eigenen Radstreifen anzulegen.)
  • Welche Teileinrichtungen (z. B. Fahrbahn, Gehwege, Beleuchtung) sollen ausgebaut werden?
  • Welche Teile der geplanten Maßnahme sind unabweisbar? Welche haben mehr den Charakter eines „Luxusausbaus“?
  • Wäre ggf. eine Sanierung (z. B. von Stolperstellen) ausreichend, um das Ziel der Baumaßnahme zu erreichen?
  • Wäre eine abschnittsweise Erneuerung nicht ausreichend? Falls nein, warum nicht?
  • Welche Versorgungsleitungen sind unter der Straße verlegt? Wie alt sind diese, wann läuft ihre Nutzungsdauer ab? Wäre es ggf. nicht wirtschaftlich, Straße und Leitungen in einer Maßnahme zu erneuern?
  • Wie soll der Ausbau finanziert werden? Sind Landeszuwendungen zu erwarten? Falls ja, in welcher Höhe?

Straßenausbaubeiträge

In einigen Bundesländern wie Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen werden die Kommunen durch das Land gezwungen, Straßenausbaubeiträge zu erheben. In anderen Bundesländern, bspw. in Sachsen und Niedersachsen ist es den Städten und Gemeinden freigestellt, die Beiträge zu erheben. Wiederum andere Bundesländer wie Bayern, Berlin, Brandenburg und Thüringen haben die Beiträge abgeschafft. In Baden-Württemberg wurden sie nie erhoben. Der Bund der Steuerzahler hält zum Thema Straßenausbaubeiträge weitere Informationen bereit.

Erhebt eine Kommune Straßenausbaubeiträge, besteht eine entsprechende Beitragssatzung. Falls Straßenausbaubeiträge erhoben werden, stellen sich weitere Fragen:

  • Wie hoch ist der Anliegeranteil? Welche Kosten (gesamt und je m² Grundstücksfläche) sind für die Anlieger damit verbunden?
  • Auf welcher Grundlage wurde der Anliegeranteil ermittelt (Verkehrszählung, Schätzung, Festlegung in der Beitragssatzung)?
  • Werden eventuelle Zuwendungen nur auf den Gemeindeanteil oder auch auf den Anliegeranteil angerechnet? Hat dies der Zuwendungsgeber verfügt oder kann die Stadt/Gemeinde dies selbst bestimmen, ob die Anwohner durch Zuwendungen entlastet werden?
  • Wie viele Anlieger sind von den Ausbaubeiträgen betroffen? Wie viele davon sind Privatpersonen, wie viele Unternehmen?
  • Wurden die Anlieger bereits über die drohenden Ausbaubeiträge informiert? Falls nicht, wann soll dies geschehen?
  • Inwieweit wurden die Anlieger in die Planungen zum Straßenausbau einbezogen? (Insbesondere bei einer teuren grundlegenden Umgestaltung mit Charakter eines „Luxusausbaus“ (z. B. durch großzügiges Straßenbegleitgrün oder besonders aufwendige Laternen) sollten die Anwohner bereits in der Planungsphase einbezogen werden. Dies kann Unmut und spätere Beschwerden verhindern.)

Neuanlage eines Radwegs an einer bestehenden Straße

  • Wie viele Radfahrer nutzen die bestehende Straße als Radweg? Wie viele parallel führende Straßen und Radwege?
  • Wie wirkt sich die Einrichtung eines Radwegs voraussichtlich auf die Zahl der Radfahrer aus? Ist eine signifikante Steigerung zu erwarten, die den Radweg und dessen Kosten rechtfertigt?
  • Kann der Radweg an ein Radwegenetz angeschlossen? Falls nicht, wie und zu welchen Kosten könnte dies erreicht werden?
  • Wäre eine andere Routenführung, z. B. durch eine weniger mit Autos befahrenen Straße, möglich und sinnvoll? Welche Umwege würde dies für Radfahrer bedeuten? Welche Kosten wären mit einer alternativen Route verbunden?
  • Wie wirkt sich der Radweg auf den motorisierten Verkehr aus, insbesondere auf den ÖPNV? Sind Ausweichreaktionen der Autofahrer zu erwarten? Falls ja, inwieweit sollen und können diese gelenkt werden? Welche Kosten wären mit der Verkehrslenkung verbunden? Müssten eventuell Straßen ausgebaut werden, um mehr Autoverkehr aufnehmen zu können?
  • Sofern der Straßenquerschnitt es erlaubt, einen Radweg entweder zulasten der Fahrbahn, Parkplätzen oder zulasten des Gehwegs anzulegen, sollte hinterfragt werden, was sinnvoller und wirtschaftlicher ist.

Gehweg/Bürgersteig erneuern

  • Welchen Zustand und welche Nutzungsintensität weist der Gehweg auf?
  • Wann wurde der Gehweg zuletzt erneuert? Ist die übliche Nutzungsdauer bereits überschritten?
  • Welche konkreten Schäden weist der Gehweg auf, dass er erneuert werden sollte?
  • Welches Ziel hat die Baumaßnahme (z. B. Verkehrssicherheit, Optik)?
  • Ist die Maßnahme unabweisbar oder kann sie durch eine einfache Sanierung aufgeschoben werden?
  • Wäre ggf. eine Sanierung (z. B. von Stolperstellen) ausreichend, um das Ziel der Baumaßnahme zu erreichen?
  • Wäre eine abschnittsweise Erneuerung nicht ausreichend? Falls nein, warum nicht?
  • Welche Versorgungsleitungen sind unter dem Gehweg verlegt? Wie alt sind diese, wann läuft ihre Nutzungsdauer ab? Wäre es ggf. nicht wirtschaftlich, Gehweg und Leitungen in einer Maßnahme zu erneuern?
  • Bei gepflastertem Gehweg: Können die Pflastersteine nicht wiederverwendet werden? Welche Vorteile und Nachteile hätte eine Wiederverwendung, insbesondere finanzieller Art?
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